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Buchkritik zu »Brillante Denker, kühne Pioniere«

Es war die Frage gestellt nach den "schönsten" Experimental- Entdeckungen der Wissenschaft – ob vom Konzept, von der Ausführung oder den Ergebnissen her. Von den Antworten stellt der mehrfach ausgezeichnete Öffentlichkeitsarbeiter und fachlich qualifizierte Journalist Philip Ball mit dem Buch "Brillante Denker, kühne Pioniere" nun zehn feuilletonartige Formate vor, deren Argumente sich überzeugend lesen. Die Entschuldigung, sie mögen den Laienverstand überfordern, kränkt den intelligenten Laien, denn selbst wenn er den in diesem Zusammenhang sowieso meist gleichgültigen Details nicht folgen können mag, erkennt er doch die übergeordnete Qualität der Entdeckungen mithilfe des Interpreten. Und weder Primo Levi noch Oliver Sacks entschuldigen sich für ihre intellektüberschreitenden Taten; man genießt sie nicht nur, sondern denkt darüber nach.

Das gilt auch für diese zehn zuweilen etwas betulich-aufmunternden, wortreich-detaillierten Kapitel über besonders gescheite Denkansätze, aussagekräftige Experimente und weiterführende Ergebnisse aus der Geschichte der Naturwissenschaften.

Doch welche sind nun die sprichwörtlichen Riesen (und, pardon!, Riesinnen), von deren Schultern aus neue Perspektiven geschaut und begangen wurden?: Van Helmont, der die Luft aus Bestandteilen mit verschiedenen Schicksalen zusammengesetzt fand; Cavendish, der zeigte, dass Wasser eine spaltbare Verbindung ist; Madame Curie, die uns lehrte, dass chemische Elemente nicht stabil sein müssen, dann aber Strahlung verschiedener Eigenschaften aussenden; Rutherford, der anschließend bewies, dass Atomkerne Heliumkerne enthalten und radioaktive Elemente transmutieren, die zu überschweren hochsynthetisiert werden können; Chemiker wie Pasteur und van’t Hoff mit eidetischer Begabung, die in Molekülen Formen und Geometrien sahen, durch die sie physiologisch bindungswirksam werden und, umgekehrt, ausgefallene Genies der sinnlichen Chemie und Raumerkenntnis, wie Woodward, die in ihrem Hirn Wirk- Moleküle zerlegen und im Reaktor in einer Weise wieder zusammensetzen können, an die keiner sonst gedacht hätte. Wahre und absichtsvolle Heldensagen und die weltanschaulich imprägnierten Versuche, sich ein präbiotisches Leben zu erzeugen oder aus himmlischer Materie zu extrahieren, haben kühne Pioniere zu brillanten Gedanken der Entstehung des nahen und fernen Alls gelangen lassen – noch kontrovers, aber "food for thought and experiment".

Dies ist ein rechtes Buch für einen "sinnlichen (Bio)chemiker", Wissenschaft beim warmen Ofen der Erinnerung und Kerzenschein historischer Realverklärung zu genießen. Dem wissenschafts-penetranten Anekdotenliebhaber wird mit Fußnoten gedient.

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  • Quellen
BIOspektrum 5/2008

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