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Kraft tanken

Wie man lernen kann, besser mit Stress und Belastungen am Arbeitsplatz umgehen.

Was ist ein Strudelwurm? Und wie kann er bei Burnout helfen? Der Titel des Ratgebers von den Geschwistern Maja und Johannes Storch sowie dem Arzt Dieter Olbrich verwundert zunächst. Wikipedia zufolge ist ein Strudelwurm ein ziemlich einfaches Lebewesen, aber immerhin etwas schlauer als eine Qualle oder Koralle. Die Psychotherapeutin Maja Storch hat das Bild dieses Wurms schon in ihren vorherigen Büchern zu Partnerschaftsproblemen oder Diabetes eingesetzt. Die Mitentwicklerin des bekannten und wissenschaftlich fundierten Zürcher Res­sourcenmodells (ZRM) verbildlicht damit ein un­bewusstes, evolutionär altes System, das ebenso wie unser Verstand unsere Entscheidungen und unser Verhalten wesentlich beeinflusst. »Würmli« reagiert schnell, macht sich nur diffus bemerkbar (Bauchgefühl) und lebt im Augenblick: Etwas ist hier und jetzt gut oder schlecht, da gibt es kein langes Abwägen. Diesen Wurm sollten wir bemerken, anerkennen, bändigen und ihn uns zum Freund machen. Die Botschaft des Buchs lautet daher: Holen Sie den Wurm mit ins Boot!

Wieso Würmli würgen?

Das Buch begleitet fünf Menschen mit burnouttypischen Problemen wie Erschöpfung, Schlafstörungen, Schmerzen oder Reizbarkeit durch ein Seminar zur Burnout-Prävention. Die Leser können sich in den realistisch wirkenden Fallgeschichten wiederfinden. Die Gruppe lernt die beiden Arten des Umgangs mit dem Wurm kennen: Selbstregulation und Selbstkontrolle. Bei der Selbstregulation bestimmt allein der Wurm unser Verhalten, er ist frei und macht, was er will. Da heißt es Sofa statt Jogging, Schokolade statt Salat, Sonnenbad statt Krebsvorsorge. Bei der Selbstkontrolle wird der Wurm an die Kette gelegt, und der abwägende Verstand zwingt uns zu Selbstdisziplin. Man ahnt es schon: We­der das eine noch das andere sollte übertrieben werden. Ein auf Dauer »geknebelter« Wurm führt früher oder später zu Problemen, zum Beispiel zu Burnout. Daher raten die Autoren, dem Wurm zu zwei Dritteln der Lebenszeit Freiraum zu lassen, ihn jedoch zu einem Drittel freundlich, aber bestimmt ein kleines bisschen zu »würgen«.

Wie gelingt also diese Balance zwischen den beiden Instanzen? In einem ersten Schritt wählen die Semi­narteilnehmer ein Bild, das sich für sie jeweils gut anfühlt, aus einer vorgegebenen Sammlung aus. Denn Bilder seien die Sprache des Wurms, damit gelinge die Kontaktaufnahme am besten. Der sich selbst überfordernde, ehrgeizige Workaholic, der in einer Bank arbeitet, wählt das Bild eines Leuchtturms in der See. Anschließend sammelt die Gruppe gemeinsam Ideen, die verdeutlichen sollen, was das ausgewählte Bild für die Person bedeutet, beispielsweise »feststehen« oder »Freiheit«. Aus diesen Ideen wird eine neue Einstellung formuliert. Im Fall des Bankers lautet sie: »Ich erlaube mir Auszeiten in meinem Leben und genieße sie.« Anschließend erlernen die Teilnehmer Techniken aus der Verhaltenstherapie, die bei konkreten Verhaltensänderungen helfen, zum Beispiel Erinnerungshilfen oder Wenn-dann-Pläne.

Erst im letzten Kapitel erklären und diskutieren Storch, Storch und Olbrich den Begriff Burnout ausführlicher. Das ist auch gut so. Denn der lebendige Einstieg mit den Fallgeschichten wird den Betroffenen besser gerecht als ein Beginn mit psychologischen Modellen zu Entstehung und Verlauf von Burnout. Ein Kapitel erscheint allerdings fehl am Platz, denn es wirkt ein bisschen wie ein Werbeblock: Dort stellt das Auto­rentrio ein von Dieter Olbrich entwickeltes Präven­tionsprogramm vor, das auf dem Zürcher Ressourcenmodell basiert und dieses mit Entspannungsverfahren und körperlicher Aktivität ergänzt.

Das Buch erklärt verständlich und kompakt die wesentlichen Elemente des ZRM und verdeutlicht, wie Menschen durch das Programm lernen können, mit Stress und Belastungen am Arbeitsplatz besser umzugehen. Die fünf Fallgeschichten, die passenden Illustrationen sowie die freundliche und gelegentlich humorvolle Sprache machen es zu einem gelungenen Ratgeber. Auf der Seite www.zrm.ch finden die Leser weitere Hintergrundinformationen zum ZRM sowie Arbeitsblätter und können in einem Onlinetool ein eigenes Bild wählen, das ein positives Gefühl bei ihnen auslöst.

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