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Fragile Ozeane

Das Blau des Wassers scheint sich unendlich weit zu erstrecken, ebenso wie das des Himmels; die Wellen darauf zeigen sich mal sanft, mal wild und gewaltig. Dem Zauber der Meere kann sich niemand entziehen. Sie sind aber nicht nur schön – ohne sie gäbe es kein Leben auf der Erde. Trotzdem behandeln wir sie mehr als schlecht, stellt Mojib Latif in seinem neuen Buch fest. Der renommierte Klimaforscher und Meteorologe macht auf die vielen anthropogenen Gefahren aufmerksam, die den Ozeanen drohen.

Eingangs führt er in den "unbekannten Lebensraum Ozean" ein. So erfahren wir, das Wasser auf der Erde sei zu knapp 97 Prozent im salzigen Nass der Ozeane gebunden und bedecke mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche. Im Durchschnitt sind die Ozeane 3700 Meter tief, mit der tiefsten Stelle im Marianengraben (etwa 11 000 Meter). Da erstaunt es nicht, dass die Ozeane immer noch weitgehend unerforscht sind.

Eine Suppe aus Schmutzwasser und Plastik

Sodann widmet Latif sich den anthropogenen Risiken; sie nehmen den Hauptteil des Buchs ein. Zu ihnen gehören der Klimawandel und die Versauerung der Meere infolge steigenden Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre. Auch die Ausbeutung der Ozeane gehört dazu – sei es durch Überfischung, unnötigen Beifang, zerstörerische Tiefseefischerei oder umweltgefährdende Aquakulturen. Dramatische Folgen hat zudem die verbreitete Praxis, die Ozeane als Müllkippe zu nutzen. Anhand neuester Daten und erschütternder Fallbeispiele beschreibt der Autor, welche Folgen der Eintrag von Plastikmüll, radioaktivem Abfall, Kunstdünger, Chemikalien, Abwässern und Lärm hat.

Auf die Ölverseuchung geht Latif besonders detailliert ein. Er verweist auf die tägliche "stille" Ölverschmutzung, etwa durch Lecks auf Ölplattformen oder Verluste beim Transport des "Schwarzen Golds". Während solcherlei Verschmutzungen oft nicht ins öffentliche Bewusstsein dringen, wecken spektakuläre Katastrophen großes Medieninteresse. Zu den bekanntesten zählen das Unglück auf der Bohrplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko sowie das Tankerunglück der Exxon Valdez vor Alaska. Für den Autor sind diese Geschehnisse ein Sinnbild für rücksichtsloses Gewinnstreben auf Kosten der Umwelt: Von der "Deepwater" seien 88 Tage lang unvorstellbare Mengen Schweröl ins Meer geflossen, erinnert er, und fragt zugleich: War es wirklich erst nach so langer Zeit möglich, das Bohrloch zu verschließen? Latif bezweifelt das. Seiner Meinung nach hätte sich der Unfall mit relativ geringen Investitionen und ein wenig mehr Sorgfalt vermeiden lassen.

Die Ozeane könnten sich zwar regenerieren, aber nicht in unbegrenztem Maß, warnt der Autor. Deshalb sei es fatal, dass die bereits deutlich vernehmbaren Warnzeichen weitgehend ignoriert würden. Dies umso mehr, da die Zerstörung der Ozeane sich weltweit auswirke. Wie schwer es fällt, in Sachen Meeresschutz einen Konsens zu finden, demonstrieren die vielen erfolglosen Klimagipfel nur zu gut.

Die lange Reise der Spielzeugtiere

Latif gibt zu, dass viele gefährliche Entwicklungen, etwa die allmähliche Veränderung der Meeresströme, für die Allgemeinheit schwer spürbar seien. Um die Risiken zu veranschaulichen, schildert er beispielsweise, dass vor einiger Zeit 29 000 Plastik-Entchen bei einem Containerunglück ins Meer gerieten und abdrifteten. Einige davon tauchten später 27 000 Kilometer entfernt wieder auf, transportiert von atlantischen Umwälzbewegungen. Ein beunruhigender Befund, bedenkt man, dass auch radioaktiver und anderer Abfall nach dem Verklappen im Meer auf Wanderschaft gehen kann. Wenn sich die Meeresströmungen zu stark verschieben und/oder abschwächen, wirkt sich das auf zahlreiche Tiere fatal aus – etwa auf Schildkröten, die mit Hilfe der Nordatlantikströmungen von Amerika zu den Azoren gelangen. Auch der Wärmetransport zwischen Tropen und Polregion könnte beeinträchtigt werden.

Zum Schluss wagt der Autor einen Ausblick in die Zukunft. Dieser kann angesichts der gravierenden Probleme nicht besonders optimistisch ausfallen. Dennoch schreibt Latif sich hier zu stark in Fahrt. Seine leidenschaftliches Plädoyer für den Schutz der Ozeane ist unzureichend strukturiert, enthält viele Wiederholungen und wirkt insgesamt zu dick aufgetragen.

Unterm Strich präsentiert sich "Das Ende der Ozeane" als aufrüttelndes Buch mit vielen Einzelbeispielen, das ein anschauliches Bild von der Bedrohung der Ozeane vermittelt. Trotz nicht ganz geglücktem Ende nimmt man es dem Autor ab, wenn er schreibt, die Rücksichtslosigkeit von Politikern und Unternehmern mache ihn wütend und traurig zugleich. "Wir müssen jetzt handeln" fordert Latif, wobei die Betonung auf allen vier Wörtern liegt.

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