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»Das Geheimnis des Tutanchamun«: Lohn der Geduld

Die Kunsthistorikerin Nadja Tomoum erklärt, was Sie schon immer über die Ausgrabung des Tutanchamun-Grabs wissen wollten. Eine Rezension.
Eine Illustration von Tutanchamun

Nein, dies ist nicht der x-te Fotoband über den legendären Grabschatz. Und es ist auch kein Buch über den jung verstorbenen Pharao, obwohl die Autorin den heutigen Wissensstand zunächst zusammenfasst, inklusive einer Auflistung der Vorgänger Tutanchamuns und eines Kapitels über seinen umstrittenen Vater Echnaton. Nicht die Geschichte Altägyptens nimmt die Ägyptologin und Kunsthistorikerin Nadja Tomoum in den Fokus, sondern die Geschichte der Entdeckung des prunkvollen Grabs und vor allem den Entdecker Howard Carter selbst.

Es ist die Biografie eines beeindruckenden Forschers, dessen Erfolg viele überraschte. Howard Carter wurde 1874 als elftes Kind des Malers Samuel John Carter geboren, der unter anderem für die »Illustrated London News« arbeitete. Da der Junge oft erkrankte, besuchte er die Schule nur unregelmäßig, und eine höhere Bildung blieb ihm verwehrt. Doch er hatte das künstlerische Talent des Vaters geerbt. Mit gerade einmal 17 Jahren folgte er dem jungen Archäologen Percy Newborn, einem häufigen Gast der Carters, als Zeichner nach Ägypten.

Was ist überliefert, was ist gedeutet?

»Unterschiedliche Temperamente prallten aufeinander, und lebhafte Debatten endeten schon mal im Streit.« Es menschelt in diesem Buch, doch leider fehlen Querverweise auf die im Anhang genannten Quellen. Was also ist überliefert, was bloß gedeutet? Wenn Tomoum schreibt, Carter »war sich seines unbeherrschten Temperaments bewusst« – widerspricht das nicht der von ihr immer wieder betonten »unendlichen Geduld«?

Geduld jedenfalls verlangte er auch seinem Geldgeber ab, Lord Arthur Callender Carnarvon. Der litt seit einem schweren Unfall unter den feuchten Wintern Englands, das Klima Ägyptens tat ihm wohl. Als rastloser Geist engagierte er 1909 Howard Carter, der nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Projekten vorschlug, im Tal der Könige das Grab des Tutanchamun zu suchen. Wobei einiges dagegensprach: Der amerikanische Archäologe Theodore Davis hatte 1912 nach mehreren Grabungskampagnen in dieser Nekropole erklärt, sie sei »ausgeschöpft«. Zudem existierten kaum Hinweise auf diesen Pharao. Obendrein änderte sich die politische Landschaft Ägyptens im Zuge des Ersten Weltkriegs. Als es zum britischen Protektorat erklärt wurde, brachen Unruhen aus, und die Ausfuhr archäologischer Funde ins Ausland wurde streng reglementiert.

Schließlich ließ die Weltwirtschaftskrise das Vermögen Carnarvons schrumpfen, das Projekt erschien allzu riskant. Carter konnte ihn zu einer letzten Kampagne überreden. Immerhin hatten er und seine Arbeiter das mögliche Suchgebiet bis auf ein kleines Areal beackert. Dort musste das Grab liegen. Am 4. November 1922 sollte sich seine Hartnäckigkeit auszahlen. Eine in den Felsen geschlagene Treppenstufe kam ans Licht, am 24. dann das Siegel Tutanchamuns.

Es ist der Verdienst der Autorin, den langen Weg dorthin wie auch die nun folgende, kräftezehrende Ausgrabung der Stätte im Detail nachzuzeichnen. Das Grab war zu eng, um die Funde gut zu dokumentieren, erst recht, um sie zu konservieren. Leere Gräber in der Nachbarschaft wurden mit Zustimmung des Antikendienstes requiriert. Im Freien baute der Fotograf Harry Burton seine Kamera auf, die nicht mehr als eine hölzerne Kiste mit Linse und einem Stativ war. Große Glasplatten trugen die lichtempfindliche Schicht.

Gerade diese Fülle an Informationen rund um die Geschichte des Grabs ist die Stärke und gleichzeitig die Schwäche des Buchs. Als sei die Autorin selbst von all dem überwältigt, hastet sie von einem Thema zum nächsten. Verraten Kapitelüberschriften wie »Der Entdecker und sein Mäzen«, »Erkundungen in Theben und das Delta-Intermezzo« oder »Das Grab und die Schätze« noch einen roten Faden, springt Tomoum innerhalb eines solchen Blocks von einem interessanten Aspekt zum nächsten und zurück. Hier hätten nicht nur ordnende Zwischenüberschriften geholfen, es mangelt auch an Absatzmarken. Seitenweise Textwüste ohne eine Unterbrechung, die Sinnzusammenhänge voneinander abgrenzen und dem Auge Orientierung bieten würde – das ist alles andere als leserfreundlich.

Die letzten Kapitel widmet Tomoum beispielsweise dem Fluch der Popularität: Die Grabstätte wird von so vielen Menschen besucht, dass sie Schaden nimmt; die Kunstschätze wurden bis vor 30 Jahren ausgeliehen und haben darunter gelitten. Und dann wäre da noch der »Fluch des Pharao«: Lord Carnarvon starb sechs Wochen nach der Graböffnung. Angeblich trat er auf eine Tontafel, auf der geschrieben stand: »Der Tod wird auf schnellen Schwingen zu demjenigen kommen, der die Ruhe des Pharaos stört.« Carter selbst habe sie verschwinden lassen. Ihn verschonte der Fluch jedenfalls bis zum 2. März 1939; er starb im Alter von 64 Jahren an einer Herzinsuffizienz.

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