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»Das Gespräch der Geschlechter«: Was wir von Kant über guten Sex lernen können

Wir sollten mehr über Sex reden, und zwar gerade dann, wenn es heiß hergeht: Darin liegt der Schlüssel zu gerechterem Geschlechtsverkehr, sagt die Philosophin Manon Garcia. Eine Rezension.
Zwei Paar Füße ragen unter der Bettdecke hervor – ein weibliches und ein männliches

Immanuel Kant gilt nicht gerade als feministischer Denker. In »Das Gespräch der Geschlechter« sieht die Philosophin Manon Garcia über seine vom Zeitgeist des 18. Jahrhunderts geprägten Ausführungen zu den Geschlechterverhältnissen hinweg. Sie konzentriert sich auf seine Beiträge zur Moralphilosophie: Mit Kant erklärt sie, was guten Sex ausmacht.

Seit Ende 2022 lehrt Garcia an der Freien Universität Berlin. In ihrem Heimatland Frankreich zählt sie schon jetzt zu den einflussreichsten feministischen Philosophinnen der Gegenwart. Größere Bekanntheit erlangte sie 2021 mit ihrem Buch »Wir werden nicht unterwürfig geboren«. Darin spürte sie den Mechanismen der weiblichen Selbstunterwerfung nach – ein Thema, das sie in ihrem aktuellen Buch wieder aufgreift, um eine Moral des Geschlechtsverkehrs zu entwerfen.

Garcia beginnt mit der Feststellung, dass bereits ein Kriterium für guten Sex existiert: die Zustimmung. Sie wendet allerdings ein, dass längst nicht geklärt ist, was das genau bedeutet. Das zeigt die Philosophin unter anderem mit »Szenarien, die immer wieder erlebten und beschriebenen Situationen entsprechen«: Handelt es sich wirklich um einvernehmlichen Sex, wenn eine Frau den Initiierungsversuchen eines Mannes nur aus Erschöpfung zustimmt? Wie sieht es aus, wenn sie nachgibt, weil sie sich vor der Reaktion auf ein Nein fürchtet? Und was ist mit diesem Beispiel: »Er leitet den Geschlechtsverkehr ein, und sie hat keine Lust, dass der Geschlechtsverkehr stattfindet, aber sie mag ihren Ruf als unerschrockene Verführerin und akzeptiert daher verbal den Geschlechtsverkehr, den er ihr vorschlägt«?

Liberal oder kantianisch?

Ob nach ideengeschichtlichen Ausflügen zu Michel Foucault oder zu feministischen Auseinandersetzungen: Immer wieder kehrt Garcia zurück zu der Unterscheidung zwischen einem liberalen und einem kantianischen Verständnis von Zustimmung. Die sieht vereinfacht gesagt so aus: Im liberalen Sinn ist man dann mit einer Handlung einverstanden, wenn man diese akzeptiert. Laut der Autorin ist der Sex in diesem Fall nicht mehr moralisch verwerflich – vorausgesetzt, es gab ein Ja und nicht nur kein Nein. Doch in der Ethik ist »gut« mehr als »nicht schlecht«, und für moralisch guten Sex braucht es für Garcia eine Zustimmung im Sinn von Kant: Man muss den Geschlechtsverkehr nicht nur akzeptieren, sondern ihn auch wirklich wollen. Anders ausgedrückt: Ein Ja reicht nicht aus, es muss schon ein »Ja, ich will« sein.

Im letzten Kapitel wird es praktisch. Garcia fordert mehr Kommunikation im Bett; sie begreift »Sex als Gespräch«. Die ständige Erkundigung nach Zustimmung – ein »Liebestöter«? Aus dieser Haltung spricht für die Philosophin ein Mangel an Fantasie. Ihr Plädoyer: Reden ist sexy; und zwar gerade, wenn man miteinander intim ist.

Doch das vorliegende Buch ist eine philosophische Abhandlung und kein Beziehungsratgeber. Garcias klare Denk- und Schreibweise macht es leicht verdaulich, zumindest für sein Genre: Begründungen sind verständlich strukturiert, und wichtige Gedankengänge werden häufig noch einmal zusammengefasst. Dank der vielen Beispiele und konkreten Vorschläge kann man als Leser sicherlich auch etwas für das eigene Liebesleben mitnehmen. Ein bisschen Ratgeberliteratur ist das Denkstück also doch – und das ist ein Kompliment!

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