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»Das Lachen der Ungetäuschten«: Muss man Komödien psychoanalytisch entschlüsseln?

Robert Pfaller ergründet das Wesen der Komödie und des Lachens. Wo er dabei auf die Psychoanalyse als Erklärungsmodell verzichtet, profitiert der Leser am meisten.

Lachen hat etwas Subversives und Anarchisches. Augenfällig ist das etwa im Film »Der Name der Rose«, wenn zum Schluss die Klosterbibliothek in Flammen aufgeht. Mit seiner Brandstiftung wollte der blinde Mönch Jorge verhindern, dass das einzige noch vorhandene Exemplar von Aristoteles’ Schrift über die Komödie verbreitet und dadurch die Ordnung der katholischen Kirche vernichtet werde. Seit Aristoteles gilt der Mensch als das einzige Wesen mit der Fähigkeit zu lachen. Es gibt dafür viele Gründe, Anlässe und Formen.

Zum Teil versucht Robert Pfaller in seinem Buch, die Würde der Komödie und das Lachen mit Hilfe der Psychoanalyse zu entschlüsseln. »Das Lachen der Ungetäuschten« umfasst neun Aufsätze, die in den letzten 20 Jahren erschienen sind; einer davon sowie die Schlussbetrachtung sind als Originalbeiträge ausgewiesen. Die Beiträge befassen sich mit dem Wesen der Komödie, ihrem Verhältnis zum Materialismus, mit multipler Liebe; zudem zeigt Pfaller die Unterschiede zwischen der Tragödie, dem Unheimlichen und der Komödie. Um seine Interpretationen nachzuvollziehen, ist es hilfreich, Filme von Ernst Lubitsch (etwa »To Be or Not to Be«), manche Screwball-Komödien oder die Serie »Sex and the City« zu kennen. Auf diese wenigen Beispiele greift der Autor gern zurück.

Warum lachen wir im Theater, wenn ein Schauspieler einen Toten mimt und plötzlich niesen muss, weil er Staub in die Nase bekommen hat? Auf dieses augenfällige Beispiel kommt Pfaller häufiger zu sprechen. Er hat es von seinem (neben Sigmund Freud und Jacques Lacan) wichtigsten Gewährsmann, dem Psychoanalytiker Octave Mannoni. In einem Vortrag (1958) hatte dieser das Wesen der Illusionen im Theater aus einer Komplizenschaft des Zuschauers mit den Schauspielern erklärt. Jene wüssten zwar, dass auf der Bühne eine Illusion erzeugt werde, tun aber so, als ob sie es nicht wüssten. Pfaller erklärt: »Die Zuschauer lachen über das dumme Gesicht, das der naive Beobachter machen würde, wenn er jemanden niesen sieht, den er für tot hält.« Dieser naive Beobachter sei das Kind in uns, das noch im Lustprinzip stecke und sich in eine heile Welt träume; er unterliege einem »kastrierten« Realitätsprinzip.

Dabei könnte die Erklärung viel einfacher sein: Ein Schauspieler schlägt die Zuschauer in seinen Bann, und der Vorfall des Niesens löst diesen Bann auf. Da aber nichts Bedrohliches passiert ist, lachen die Zuschauer. Das wäre die anthropologische Antwort eines Helmuth Plessner, der das Lachen als die Antwort des Körpers auf eine unbeantwortbare, aber nicht bedrohliche Situation erklärt hat. Leider differenziert Pfaller seinen Begriff des Lachens nicht weiter, obwohl es sich vom Lächeln, Schmunzeln, Kichern et cetera unterscheiden lässt. So ist die Frage angebracht, ob die Psychoanalyse wirklich tiefere Einsichten in das Wesen der Komödie und des Lachens liefert oder man in diesem Kontext getrost auf sie verzichten könne. Zumal die Psychoanalyse als Theorie auf tönernen Füßen steht; ihre Evidenz gilt vielen wissenschaftlichen Psychologen als äußerst zweifelhaft.

Der Materialismus von Komödien

Sieht man von seinen psychoanalytischen Erklärungsansätzen ab, so kann man von Pfaller sehr wohl einiges über Komödien lernen. Sie beruhten, so der Autor, auf dem Prinzip des Gelingens – selbst dem naivsten Protagonisten gelinge etwas, das man nicht für möglich gehalten hätte. Auch die Selbst- und Fremdtäuschung seien Kennzeichen der Komödie, wenn sich etwa zwei Protagonisten die ganze Zeit über eine Liebe nur vorspielten, um schließlich zu merken, dass sie sich wirklich ineinander verliebt hätten. Die Komödie sei zudem »materialistisch«, von dieser Welt, anders als Tragödien, in denen Helden ein großes metaphysisches Ziel verfolgten und daran immer scheitern müssten. Die ›Helden‹ der Komödie seien zumeist einfach ›gestrickt‹ und schematisch gezeichnet. Anschaulich erläutert Pfaller dies am Beispiel der vier Charaktere von »Sex and the City«. Im Gegensatz dazu brächten Tragödien komplexe, ausdifferenzierte Charaktere auf die Bühnen. »Die philosophische Würde der Komödie liegt … in der Tatsache, dass sie sich diesen metaphysischen Voraussetzungen und Folgen entgegenstellt.«

Vielleicht sollte man sich nach der Lektüre einiger Beiträge gleich eine Komödie anschauen und sich dann fragen, warum man an einer bestimmten Stelle gelacht hat. Dann lässt sich Pfallers Argumentation leichter nachvollziehen – so ist es jedenfalls dem Rezensenten ergangen. In heutiger Zeit gebe es allerdings nur wenige gute Komödien zu sehen, beklagt Pfaller im Interview über die Würde der Komödie (Beitrag 9). Wir lebten unter »der Vorherrschaft eines ›tragischen Paradigmas‹« in einer Kultur, die das »Opfer« moralisch verherrliche bis hin zu »Opferwettbewerben«, die sogar etwas Traurig-Komisches an sich hätten. Damit reiht sich der Autor provokativ in die Tradition des Hedonismus der 1980er und 1990er Jahre ein.

Pfallers Buch ist mit den genannten Einschränkungen gut lesbar und empfehlenswert. In seiner Schlussbetrachtung fasst er die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und bekennt offen, worin er seine Ansichten zuletzt habe korrigieren und ergänzen müssen. Das Buch enthält einen Anhang mit Anmerkungen, ein Literaturverzeichnis sowie ein Sach- und Namensregister, mit dem man sich gut darin orientieren kann.

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