Direkt zum Inhalt

Hirnforschung: Das Gehirn in 100 Bildern

Detaillierte Infografiken veranschaulichen alles rund um das Gehirn: vom Weg eines winzigen Ions bis zu den großen Fragen des Äons.

Grundüberzeugungen entstehen im Alter von sieben Jahren, acht Sekunden lang können wir uns konzentrieren, und nach neun Monaten hat ein Säugling bereits so viele Nervenzellen wie ein erwachsener Mensch. Solche Fakten lernt man in »Das menschliche Gehirn«. Und zwar anschaulich, anhand von Infografiken, die elf Autorinnen und Autoren aus den Neurowissenschaften und dem Journalismus mit drei Grafikern entwickelt haben.

Vielfalt an Themen und Farben

Die ersten beiden Kapitel widmen sich der Physiologie des Gehirns und den Funktionen der verschiedenen Areale. Anschließend geht es um Kommunikation, Gedächtnis und Bewusstsein. Die letzten beiden Teile befassen sich mit dem Gehirn der Zukunft und möglichen Störungen. Die Infografiken folgen keinem geregelten Aufbau. Dafür gibt es wiederkehrende stilistische Elemente, die die Orientierung erleichtern. In farbigen Kreisen werden etwa Fragen beantwortet, wie: »Warum schmeckt Junkfood so gut?«, »Haben Gesten auf der ganzen Welt die gleiche Bedeutung?« und »Werden Roboter die Welt beherrschen?« (Zucker. Nein. Vielleicht.)

Die Themenvielfalt reicht von Ernährung bis hin zu künstlicher Intelligenz und philosophischen Fragestellungen. Die schiere Menge macht die Infografiken aber nicht oberflächlich. Im Gegenteil: Auch Fachkundige können sich auf Aha-Erlebnisse gefasst machen. Manche Darstellungen würden sich für Lehrbücher von Studierenden eignen. In dem Abschnitt »Wie wir sehen« lässt sich beispielsweise der Informationsfluss von der primären Sehrinde bis in die höheren Hirnregionen anschaulich nachvollziehen, mitsamt den Erklärungen, wofür die einzelnen Areale verantwortlich sind und was bei der Verarbeitung visueller Reize schiefgehen kann.

Quellenangaben fehlen

Menschen, die bisher noch keine Berührungspunkte mit der Neurowissenschaft hatten, werden von der Informationsfülle wohl überwältigt sein. Fachleuten mangelt es hingegen an Anknüpfungsmöglichkeiten, um sich intensiver mit einem Thema zu beschäftigen. Wer mit der Materie vertraut ist, wird die Inhalte zwar fachlich einordnen oder im Zweifelsfall selbst nachrecherchieren können. Doch das Buch hilft dabei insofern nicht, als dass Quellenangaben fehlen; es gibt auch keine Verweise auf eine Sammlung von Belegen im Netz, sei es mit QR-Codes oder verkürzten URLs.

Ein großes Manko. Insbesondere da die Hirnforschung eine relativ junge Disziplin ist, in der für viele Fragen gesicherte Antworten fehlen.

Ein Beispiel: Die Infografik zum kontroversen Thema »Männliches und weibliches Hirn« zeigt eine Reihe von Hirnregionen, die im männlichen Gehirn in Relation zur Gesamtgröße größer als im weiblichen sein sollen. Genau das bezweifeln Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftler um Lise Eliot von der Chicago Medical School in einer 2021 erschienenen Übersichtsarbeit, in der sie drei Jahrzehnte Forschung zu Geschlechtsunterschieden im Gehirn zusammengefasst haben. Sie bezeichnen das als eine »Geschichte von nicht replizierten Behauptungen«. Demnach nimmt der Hypothalamus im Gehirn von Männern nicht mehr Platz ein als im Gehirn von Frauen. Für die Amygdala wiederum finden sich nur geringfügige Unterschiede, die kleiner als die Ungenauigkeit der Messmethode sind.

Trotzdem ist »Das menschliche Gehirn« ein Buch für alle, die unser komplexestes Organ fasziniert. Die Infografiken eignen sich zudem als Inspirationsquelle für Lehrpersonal an Schulen oder Universitäten.

Kennen Sie schon …

Spektrum Gesundheit – Die Kraft der Atmung: Wie Atmen unser Wohlbefinden beeinflusst

Erfahren Sie in »Spektrum Gesundheit«, wie Hirn und Lunge zusammenarbeiten, warum Nasenatmung wichtig ist und wie Lachen Körper und Psyche stärkt. Außerdem: Neue Wege in der Prävention von Kurzsichtigkeit + Schutz vor Krankheiten durch gute Zahnpflege.

Gehirn&Geist – Hype um die Seele

Psychologie ist »in« und Fragen rund um die Seele füllen immer mehr populäre TV- und Podcast-Formate, ja sogar Bühnenshows. Wir berichten, wie dieses »Psychotainment« funktioniert. In dieser Ausgabe startet die neue Serie »Hirnentwicklung im Mutterleib« mit einem Bericht über die Plazenta und ihre Bedeutung. Daneben gehen wir der Frage nach, warum wir lachen. Ethologen, Primatologen und Neurowissenschaftler versuchen gemeinsam, die Mechanismen und Funktionen dieses Verhaltens aufzudecken. Weiterhin stellen wir den vor 80 Jahren erfundenen Persönlichkeitstest vor, was sich hinter den Myers-Briggs-Typen verbirgt und wie sie zu werten sind. Angststörungen haben bei Jugendlichen stark zugenommen und sind oft hartnäckig und kompliziert zu behandeln. Zwei Neurowissenschaftlerinnen erforschen, wie man die Therapie auf das Gehirn von Teenagern zuschneiden kann.

Gehirn&Geist – Kognition - Wie das Denken erwachte

Können völlig verschiedene Gehirne eine ähnliche Kognition erzeugen? Der Biopsychologe Onur Güntürkün erforscht, wie komplexes Denken im Lauf der Evolution entstanden ist und spricht im Interview über Fehlannahmen in der Entwicklung der Kognition bei Menschen und Tieren. Daneben berichten wir über das Problem, wenn gesunde Ernährung zwanghaft wird. Lesen Sie, wie diese so genannte Orthorexie entsteht und was hilft, ihr vorzubeugen. »Wege aus der Einsamkeit« zeigt, welche Maßnahmen dabei helfen können, sich weniger einsam zu fühlen; dabei setzt die effektivste Strategie an den eigenen Gedanken an. Im Artikel zum Thema Körperbild geht es um, die nicht selten auftretende Fehlwahrnehmung des eigenen Körpers, wann ein verzerrtes Körperbild schadet und wie es korrigiert werden kann. Die gesellschaftlichen Folgen von Glücksspielsucht sind erheblich, gleichzeitig nimmt der deutsche Staat mit Glücksspiel Milliarden ein. Im Interview erklärt der Psychologe Tobias Hayer, warum die Politik endlich eingreifen sollte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.