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»Das Parlament der Natur«: Das Artensterben und wir

Das Buch versammelt Gespräche über Artensterben, Klimakrise und Wissenschaftskommunikation – mit aufklärerischer Vision und persönlicher Note.

»Die Natur verhandelt nicht.« Ein Satz, der ein grundlegendes Dilemma auf den Punkt bringt: Während in politischen Prozessen nach Kompromissen gesucht wird, dabei stets die Machbarkeit im Blick behalten werden muss und schließlich vieles im Klein-Klein versandet, schreiten Klimawandel und Artensterben gnadenlos voran. Bei der Beschreibung der daraus resultierenden Krise(n) streift »Das Parlament der Natur« verschiedenste Themenbereiche.

Der Journalist Boris Herrmann hat in diesem Buch seine Gespräche mit zwei außergewöhnlichen Wissenschaftlern aufgezeichnet: Sarah Darwin, promovierte Botanikerin und Ururenkelin von Charles Darwin, und Johannes Vogel, ebenfalls Botaniker und Direktor des Berliner »Museum für Naturkunde« – zusammen laut Herrmann das »Traumpaar der Naturforschung«. Ihre gemeinsame Vision: die großen Krisen unserer Zeit nicht isoliert, sondern als miteinander verflochtene globale Herausforderung zu denken. Artensterben, Klimawandel und der Abbau von Demokratie – sie sind für Darwin und Vogel Ausdruck eines tiefer liegenden Problems: der Entkopplung von Mensch und Natur.

Die Gespräche drehen sich um Forschung, Geschichte und Wissenschaftskommunikation. Vogel beschreibt das Ziel, naturkundliche Museen als Orte gesellschaftlicher Debatten um die Zukunft der Erde zu etablieren. Seine Hoffnung: durch wissenschaftlich fundierte Bildung demokratische Strukturen zu stärken. Inwiefern diese Konzentration auf Wissensvermittlung und die Förderung der sogenannten scientific literacy zielführend ist, wird in der Forschung zu Wissenschaftskommunikation übrigens deutlich kontroverser diskutiert als von Darwin und Vogel. Doch sie begründen überzeugend ihre Hoffnung, in den Naturkundemuseen aktiv zur Entwicklung einer »wissensbasierten demokratischen Gesellschaft« beizutragen.

Auch anderes könnten die Museen ermöglichen: Vogel beschreibt die faszinierende Vision, mit Daten aus naturkundlichen Sammlungen und der Hilfe von Hochleistungsrechnern ein Modell der gesamten belebten Welt zu erschaffen. Ähnlich wie bei den bekannten Klimamodellen könnten so Zusammenhänge besser verstanden und Veränderungen der Ökosysteme vorhergesagt werden.

Beeindruckende Gestaltung, persönlicher Ton

»Das Parlament der Natur« ist auch ein sehr persönliches Buch. Darwin und Vogel sprechen über ihre Werdegänge in der Wissenschaft, ihre jeweilige Motivation, ihre erste Begegnung und die Partnerschaft, die daraus entstanden ist – diese Einblicke verleihen dem Band eine menschliche Tiefe. Der Ton ist freundlich, teils humorvoll – wie in einem langen, klugen Gespräch unter guten Bekannten. Leider gleiten die Gespräche auch immer wieder ins Ungefähre ab und verlieren sich in der Formulierung persönlicher Überzeugungen, für die keine belastbaren Quellen angeführt werden. Wenn etwa der persönliche CO₂-Fußabdruck oder geopolitische Konflikte diskutiert werden, bleibt es bei Vermutungen und subjektiven Einschätzungen. Das wird zwar korrekt eingeordnet durch Ausdrücke wie »vermutlich« und »ich glaube nicht«; dennoch hätte man sich an diesen Stellen eine stärkere journalistische Einordnung oder ergänzende Recherchen gewünscht. Andererseits zeigen diese Passagen die Forschenden von einer menschlichen Seite, was wiederum gut zum Ton des Buchs passt.

Ein besonderer Reiz des Bandes liegt in seiner Gestaltung: Mit beeindruckenden, großformatigen Fotografien aus dem Berliner »Museum für Naturkunde«, aber auch aus der Natur ist es ein echter Hingucker. Es spricht ein breites Publikum an, macht Lust auf Naturkunde und regt dazu an, sich gegen die Krise zu engagieren.

Inhaltlich mäandert das Gespräch zwischen diversen Themen: von der Entstehung von Darwins Evolutionstheorie zur Museumspädagogik, von der Bedeutung der Artenvielfalt zur Begeisterung für Botanik. All das ist nahbar, interessant und unterhaltsam, aber es fehlt ein klarer roter Faden. Es wird nicht ganz klar, was das Buch eigentlich sein will: ein aufklärendes Sachbuch, eine Reportage in Interviewform, ein biografisches Doppelporträt?

Und doch – es funktioniert. Wer keine stringente Argumentation erwartet, sondern bereit ist, sich durch viele kluge Gedanken, interessante Anekdoten und engagierte Visionen treiben zu lassen, wird viel mitnehmen. Besonders überzeugend sind die Passagen über Charles Darwin und die beeindruckende Arbeit im Berliner »Museum für Naturkunde«. Die Dringlichkeit der Biodiversitätskrise wird mit eindrücklichen Zahlen und Beispielen greifbar gemacht – hier zeigt sich die Stärke des Autorenteams, komplexe Themen verständlich und zugleich emotional zugänglich zu machen. So eignet sich das Buch vor allem für diejenigen, die ein grundlegendes Interesse an Naturkunde, Museen und gesellschaftlicher Transformation haben – aber weniger für jene, die tiefer gehende Informationen erwarten.

Das Buch vermittelt zugleich Dringlichkeit und Hoffnung, manchmal bleibt der Leser aber auch ratlos zurück. Die Gespräche bieten keine einfachen Lösungen – vielleicht, weil es sie nicht gibt. Doch Vogel, Darwin und Herrmann schaffen es, die Zusammenhänge zwischen Natur und Gesellschaft eindrücklich ins Bewusstsein zu rufen – passend zu ihrer Mission, die Menschen zum Umdenken und Handeln zu bewegen.

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