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Buchkritik zu »Das Sandkorn, das die Erde zum Beben bringt«

Leitmotiv der ganzen Geschichte ist der Sandhaufen, auf den Körnchen für Körnchen neuer Sand fällt ? computersimulierter Sand übrigens, denn der rieselt weitaus effektvoller als der echte. Mit der Zeit werden die Abhänge des Häufchens so steil, dass jeden Moment ein Erdrutsch droht ? und in der Tat löst ab und zu ein einzelnes Sandkorn eine kleine oder große Lawine aus. Deren Zeitpunkt und Ausmaß sind nicht vorhersagbar; es gibt noch nicht einmal eine typische Größe. Lawinen sind einfach umso häufiger, je kleiner sie sind; diese Abhängigkeit wird durch ein Potenzgesetz beschrieben.Was Per Bak und Kan Chen in dieser Zeitschrift (März 1991, S. 62) als "selbstorganisierte Kritizität" beschrieben haben, findet sich in vielen anderen Systemen. Das Paradebeispiel für Ereignisse, die jedes für sich überraschend und in ihrer Häufigkeit nach einem Potenzgesetz verteilt auftreten, sind Erdbeben; aber das Erklärungsmuster passt auf viele andere Phänomene: das Umklappen der Elementarmagnete in einem Eisenkristall nahe der kritischen (Curie-)Temperatur, Börsenkräche, Kriege und wissenschaftliche Umwälzungen.Wie kann es sein, dass so verschiedenartige Phänomene auf so einheitliche Weise korrekt beschrieben werden können, und das, ohne dass der Beschreiber sich überhaupt eingehend mit der Physik des einzelnen Phänomens beschäftigt? Wie ist es mit dem freien Willen des Einzelnen vereinbar, dass das kollektive Verhalten vieler Aktienhändler von einem Potenzgesetz beherrscht wird?Die Antworten auf solche Fragen sind, wie die Fragen selbst, erst wenige Jahre alt und teilweise noch ziemlich spekulativ. Umso mehr Respekt gebührt dem britischen Wissenschaftsjournalisten Mark Buchanan dafür, dass er dieses noch sehr unruhige und dementsprechend spannende Wissenschaftsgebiet so geordnet und in klarer, natürlicher Sprache dargestellt hat.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 11/2001

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