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»Das Uhrwerk des Lebens«: Der Traum vom ewigen Leben

Der Traum, gesund zu altern, scheint wirklich werden zu können. Neueste Forschungsergebnisse, die Ulrich Bahnsens lesenswertes Buch vorstellt, lassen dies vermuten.
Jungbrunnen

»Kein Naturgesetz gebietet dem Leben ein Ende.« Mit dieser Aussage lässt der Wissenschaftsjournalist Ulrich Bahnsen gleich zu Beginn seines Buchs aufhorchen. Allerdings relativiert er diese auch gleich wieder, da der Mensch biologischen Prozessen unterworfen ist, die nie absolut präzise sind. Deshalb werden Reparatursysteme benötigt – und diese ermüden über die Zeit.

Dennoch begegnen einem im Laufe der Lektüre ganz besondere Beispiele aus dem Tierreich: ein Grönlandhai beispielsweise, der 512 Jahre alt wurde, oder die Qualle Hydra, die sich in ihrem komplizierten Lebenszyklus je nach Umweltbedingung wieder ins Larvenstadium zurückentwickeln, also verjüngen kann.

Ein Blick auf die Alternsforschung im Allgemeinen zeigt die unterschiedlichen Ansätze und Hypothesen zu den Ursachen, die unsere Alterung auslösen. Unter anderem wird die Abnahme des Stammzellenvorrats in den Organen angeführt oder die Verkürzung der Telomere diskutiert. Telomere sind die Endkappen der Chromosomen. Da sie sich mit jeder Zellteilung verkürzen, gingen Alternsforscher lange Zeit davon aus, dass ihre Länge ein Indikator für das Altern sei. Der Leser erfährt, dass diese Theorie überholt ist, da die Telomerverkürzung mit der Zellvermehrung korreliert und nicht zwangsläufig mit dem Altern.

Bahnsen teilt sein Buch in drei Teile. Zuerst umreißt er das Altern selbst und die aktuellen Erkenntnisse dazu, dann kommt er auf den genetischen Hintergrund zu sprechen, um schließlich mit dem Potenzial für die aktive Verjüngung unserer Zellen und der Frage zu enden, inwieweit dies bereits umsetzbar ist.

Forschung zur Verjüngung von Zellen

Ein zentraler Aspekt, der auf den 240 Seiten immer wiederkehrt, ist die sogenannte Lebensuhr, entwickelt von dem Wissenschaftler Steve Horvath. Mit dieser Uhr können Wissenschaftler das biologische Alter von Zellproben objektiv und genau messen. Grundlegend für die Entwicklung dieses wichtigen Werkzeugs der Alternsforschung war der Zusammenhang zwischen der Epigenetik und dem Altern. Die Epigenetik steuert das An- und Abschalten der Gene über das Anheften einer Methylgruppe an bestimmte Gene, die dann nicht mehr abgelesen werden können. Die Erkenntnis, dass sich diese Methylierungen im Laufe des Lebens, abhängig vom Alter, verändern, ermöglichte die Entwicklung der Lebensuhr. Erst durch sie wurde es möglich, eine Verjüngung in Labortieren oder Zellen zu messen – unerlässlich für jede Versuchsanordnung.

Die unterschiedlichsten Experimente und Versuche zur Verjüngung von Zellen beschreibt der Autor in den neun Kapiteln sehr ausführlich. Beispielsweise Versuche mit Parabiose, bei der Mäuse mit einer chirurgischen Naht aneinandergenäht werden, wodurch sich ihre Kreislaufsysteme verbinden. Auch wenn diese Experimente vielleicht an Frankensteins Monster erinnern, konnten bei der Verbindung von jungen und alten Versuchstieren interessante Erkenntnisse gewonnen werden. Verletzte Muskeln heilten zum Beispiel bei alten Mäusen, die an den Kreislauf von Jungen gekoppelt waren, viel schneller, und auch in ihren Gehirnen bildeten sich neue Neuronen.

Bahnsen beschreibt auch Versuche mit einem Bluttransfer von jungen Mäusen auf alte, wobei sich die kognitiven Fähigkeiten der Senioren verbesserten. Interessant und gleichermaßen verstörend ist zu erfahren, dass diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen werden können. Auch von den neuesten Erkenntnissen zu verschiedenen Medikamenten, die potenziell lebensverlängernd wirken können, erfährt der Leser. Darunter das Diabetesmedikament Metformin und ein Stoff namens Rapamycin. Beide wirken auf einen zentralen molekularen Signalweg, den sogenannten mTOR (mechanistic Target of Rapamycin). Es ist schon länger bekannt, dass eine Blockade dieses Signalwegs das Leben verlängern kann.

Weitere neue Möglichkeiten für die Alternsforschung eröffnen die gentechnischen Werkezeuge Crispr-Cas9, mit denen auch bisherige Probleme bei der Editierung von »Alters-Genen« überwunden werden können. Eine große Herausforderung für die Entwicklung von »Altersmedikationen« stellen die Anforderungen an klinische Studien dar, denn das Ziel »Verjüngung« ist sowohl schwer nachzuweisen als auch von Zulassungsbehörden nicht akzeptiert. So müssen für die beginnenden kommerziellen Ansätze durch zahlreiche Start-up-Gründungen alternative Ziele für klinische Studien formuliert werden; meist sind das klassische Altersleiden.

Trotz der großen Fortschritte in der Forschung ist sich Bahnsen sicher, dass der Mensch weiterhin sterben wird, auch wenn sich die Lebensspanne vielleicht auf 120 oder 150 Jahre verlängern mag. Dennoch schreitet die im Buch »Anti-Aging-Evolution« genannte Entwicklung rasch voran. Und der Autor ist sich sicher, dass sich die neuen Erkenntnisse ganz unspektakulär in der Medizin etablieren werden – angefangen bei Altersblindheit bis hin zu degenerativen Leiden.

Am Ende des Buches kann sich der Leser vorstellen, wie unsere Lebenszeit in einer gesunden Art und Weise ausgedehnt werden kann. Zudem ist er sensibilisiert für Entwicklungen, die man so vielleicht nicht für möglich gehalten hätte.

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