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»Das Wetter lesen«: Auf rauer See

Captain Rappaport schreibt begeistert und unterhaltsam über das Wetter, die Seefahrt und das Leben an Bord. Ein erzählendes Sachbuch für Segler und Meteorologen.

Ob es nächste Woche regnet, am Sonntag die Sonne scheint oder bald frischer Neuschnee fällt, interessiert Menschen an Land – aber ihr Blick in die Wetternachrichten erfolgt meist unregelmäßig. Der Kapitän eines Segelschiffs dagegen hat das Wetter immer im Sinn, es ist Teil seiner Tagesplanung. »Wieder einmal erweist sich, dass man nirgends so sehr Anlass hat, sich mit dem Wetter zu beschäftigen, wie auf einem Segelschiff«, schreibt der segelnde Professor Captain Elliot Rappaport; und schildert gleich im ersten Kapitel, wie er einmal mitten in einem starken Sturm daran zweifelte, dass er und seine Crew diesen überleben. Er schaute damals vorsichtshalber und etwas nervös selbst unter den Schiffsplanken – der Bilge – nach, ob Wasser ins Schiff eindrang. Mit seiner enormen Segelerfahrung auf hoher See führte der Kapitän aber letztlich auch diese schwierige Situation zu einem guten Ende.

Das Buch eines Begeisterten

Rappaport ist seit rund 30 Jahren auf den Weltmeeren unterwegs, und zwar oft mit Forschungsschiffen beispielsweise in den polaren Gewässern vor Grönland oder in der Südsee. Der Geowissenschaftler ist zudem Professor für Nautik. Er unterrichtet aber nicht nur Meereskunde und sein Spezialgebiet, die Meteorologie, sondern hat auch zwei Jahrzehnte lang an Bord von Segelschiffen Kadetten auf ihren Beruf vorbereitet.

»Das Wetter lesen« ist vor allem das Buch eines Begeisterten. Elliot Rappaport schreibt so mitreißend, dass man auch als Leser mitfiebert, großen Respekt vor dem extremen Wetter auf See bekommt und fast glaubt, auf dem Großsegler mit dabei zu sein. Seine Reiseberichte enthalten Erzählungen aus der Geschichte der Seefahrt sowie eigene Erfahrungen und geben Einblicke in das Zusammenleben auf Schiffen. In diese eingewoben finden sich wissenschaftliche Darstellungen einzelner Wetterlagen – mal theoretisch, mal als Erlebnisberichte. So schreibt Rappaport etwa von der Gefahr, die durch Vulkanausbrüche erwachsen kann; er selbst wurde dadurch einst von schwimmendem Bimsstein ausgebremst. Der Captain erläutert zudem, wie verschiedene Wolken entstehen, sich ein Sturm zusammenbraut, wie der Wetterdienst arbeitet und sich das Seewetter auf das Wetter an Land auswirkt.

Eines wird beim Lesen ziemlich schnell klar: Das Wetter auf hoher See ist launischer und extremer als an Land, wo sich unter dem Einfluss des Bodens eher ein Gleichgewicht einstellen kann. Mal erklärt Rappaport das Wetter aus eigener Expertise, mal zitiert er die leitende Wissenschaftlerin an Bord, Kara Lavender, oder Jennifer Francis, Wissenschaftlerin an einem Climate Research Center, oder andere Forscher. Er erläutert, inwiefern das Seewetter für Dürre in Ländern wie Indonesien oder Überschwemmungen in Kalifornien verantwortlich ist, und er berichtet von der Häufigkeit und Stärke der Wirbelstürme im Südpazifik, um die Entstehung von El Niño zu erklären; dessen Name stammt übrigens von peruanischen Fischern, die ihn nach dem Christkind benannten, da das Phänomen oft am Jahresende auftritt.

Ob für das Geschehen auf See oder an Land: Rappaports Sprache ist sehr bildhaft. So beschreibt er, dass eisige Gischt wie Vogelschrot über das offene Deck peitscht oder dass Wellen wie ein Teppich vorbeiziehen. Passagen wie diese waren sicher ebenso eine Herausforderung für den Übersetzer Rudolf Mast wie die detailreiche Darstellung wissenschaftlicher Grundlagen. Oft spricht der Autor viele Sinne an – wie bei einem Stopp auf Tahiti, bei dem ihn glänzende Pyramiden aus frischen Thunfischen an Artilleriegeschosse erinnern und in der Luft der Duft von Vanille schwebt.

»Segler lieben es, lange Geschichten über das Wetter zu erzählen, aber diese Gespräche dienen vor allem dem Zweck, sich Wissen anzueignen und es weiterzugeben, ein Wissen, das auf dem gemeinsamen Verständnis einer komplizierten und potenziell gefährlichen Umwelt gründet«. Der segelnde Professor Rappaport ist genau das: ein Geschichtenerzähler. Die Mischung aus persönlicher Erfahrung und fundiertem Wissen zur Meteorologie macht das Buch zu einer Empfehlung für Segelnde und diejenigen, die sich in die Segelbegeisterten hineinversetzen wollen. Zur Freude der Lektüre dieses Buchs trägt übrigens auch die Erleichterung bei, sicher an Land und nicht den Strapazen und extremen Wetterunbilden auf See ausgesetzt zu sein.

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