»Der Duft der Wälder«: Ein Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume
Dominique Roques hat vor vielen Jahren als Holzfäller gearbeitet und sich intensiv mit verschiedenen Aspekten des Waldes beschäftigt. Der Geruch von Bäumen und Sägemehl weckte in ihm das Interesse an der Gewinnung von natürlichen Duftstoffen – heute ist er ein gefragter Duftexperte. Sein Buch ist weniger ein klassisches Sachbuch als vielmehr eine Sammlung persönlicher Erfahrungen.
In elf in sich geschlossenen Kapiteln folgt man Dominique Roques in verschiedene Waldgebiete der Erde. Die Abschnitte tragen Titel wie »Die Zeit der Wälder«, »Das Kind und das Sägemehl« oder »Wilde Bäume und Baumpflanzer«, sind flüssig geschrieben und können auch unabhängig voneinander gelesen und verstanden werden. Ein zentrales Thema aller Kapitel ist der Geruch der Natur. Für Roques duftet jeder Wald auf seine ganz eigene Weise, und das Wissen darüber bildet die Grundlage für seine Arbeit: Er sammelt Düfte für Parfümhersteller. Seit Jahrzehnten reist er in entlegene Regionen der Welt, um seltene und kostbare Duftstoffe aufzuspüren. Seine Suche führt ihn nicht nur in die Wälder Europas, sondern auch in die Zedernwälder des Libanon, die Regenwälder Paraguays im südlichen Amazonasgebiet sowie zu den Mammutbäumen Nordamerikas. Roques‘ Vater hatte in den 1950er Jahren in den USA als Holzfäller gearbeitet und brachte die damals neue Kettensäge nach Frankreich, um sie in Europa zu vertreiben. Bei der Arbeit mit ihm entdeckte der Autor den Geruch frischen Sägemehls.
Die Axt im Walde
Auf den Spuren von Roques‘ Reisen erfährt der Leser nicht nur einiges über Wald und Natur, sondern lernt auch verschiedene Regionen und Länder kennen. So schildert das Kapitel »Das Gold der Redwoods«, wie die großen Bestände an Mammutbäumen seit dem 19. Jahrhundert vor allem als wirtschaftlicher Faktor und Einkommensquelle betrachtet wurden. Dies führte zur fast vollständigen Vernichtung von Waldbeständen in den westlichen Bundesstaaten der USA. Inzwischen hat die moderne Forstwirtschaft die Struktur der Wälder auf der ganzen Welt verändert. Wurden früher nur einzelne Bäume entnommen, um den Menschen Produkte wie Brennholz, Rinde oder Baumharz zu liefern, so hat sich heute eine intensive kommerzielle und industrielle Nutzung herausgebildet. Es war die Erfindung der metallenen Axt, die laut Roques unter anderem auch die Sesshaftigkeit unserer Vorfahren ermöglichte. Dies hatte jedoch zur Folge, dass deutlich mehr Holz geschlagen und verbraucht wurde, so dass auf allen Kontinenten die Wälder schneller abgeholzt wurden, als neue Bäume nachwachsen konnten. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahrhundert verringerte sich die Waldfläche weltweit um etwa die Hälfte.
Die zum Teil dramatischen Veränderungen in verschiedenen Regionen der Welt konnte der Autor auf seinen Reisen mit eigenen Augen betrachten. Seine Reisebeschreibungen sind eindrucksvoll und auch beunruhigend. Dennoch bleibt Raum für Optimismus, wie ihn etwa folgende Passagen aus dem Epilog vermitteln: »In Angkor, der berühmten Hauptstadt des Khmer-Reichs, [...] sind die Besucherinnen und Besucher immer völlig verblüfft, wenn sie die enormen Wurzeln sehen, die sich um Steine und Skulpturen winden«; und in »Hiroshima haben einige Gingkos überlebt [...] und auch in Tschernobyl wachsen wieder üppige Wälder«. So schließt das Buch mit einem optimistischen Ausblick – ohne in Frage zu stellen, dass wir die Nutzung unserer Wälder dringend verändern sollten.
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