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»Der lebendige Planet«: Tricks und Strategien der Natur

Der Natur-Dokumentarfilmer David Attenborough beschreibt unterhaltsam die Tier- und Pflanzengemeinschaften unseres Planeten. Eine Rezension.
Namibische Elefanten

Der Begriff Vernetzung fällt heutzutage immer wieder, ob bei politischen, wirtschaftlichen oder anderen Herausforderungen. Dabei zeigt uns die Natur schon seit jeher, wie Vernetzung funktioniert: Hier hängt alles mit allem in feiner Abstimmung zusammen – die Strategie gelingt, solange die Eingriffe in die Natur durch uns Menschen die Grenzen nicht überschreiten.

Von den Polen bis zum Äquator, von Vulkanen bis zu den Wäldern auf der Welt und ihren Baumwipfeln bringt David Attenborough den Leserinnen und Lesern unterschiedliche Ökosysteme als Lebensraum für die faszinierende Vielfalt an Pflanzen und Tieren nahe. Immer wieder veranschaulicht er die Nahrungsketten der »Bewohner« und ihre oft verblüffenden unterschiedlichen Methoden der Fortpflanzung, samt der Brutpflege bei den Tieren.

Attenborough ist seit Jahrzehnten als Natur-Dokumentarfilmer bekannt. Für ihn ist die Natur die größte Quelle für Begeisterung, Schönheit und Erkenntnis. In seinem neuesten Buch nimmt er die Leser mit – so wie auf eine »geschriebene Live-Fotoreise«. Beispielsweise wenn er Anpassungen der Fauna im Dschungel an ihr Lebensumfeld schildert: »Besonders lohnend ist es, das Leben in der Krone eines Baumes zu beobachten, der gerade Früchte bildet. Man setzt sich einfach hin und wartet. Ein Feigenbaum auf Borneo mit reifenden duftenden Früchten wimmelt dann nur so von hungrigen Gesellen. Affen huschen in den Ästen hin und her und riechen an jeder Feige einzeln, um ihren Reifegrad zu bestimmen und sie sich dann genüsslich in den Mund zu stopfen …«

Unter dem Einfluss von Klima und Umwelt

Wald ist nicht gleich Wald, Meer ist nicht gleich Meer: Die morphologischen Anpassungen an die Umwelt, mit denen Pflanzen und Tiere auf die Lebensbedingungen reagieren, wird etwa beim Faultier deutlich. Für Attenborough zählt das Tier, das hängend unter den Ästen lebt, zu den seltsamsten Blattfressern im Blätterdach. »… Seine Krallen sind zu Haken geworden, die Gliedmaßen haben sich in steife Bügel verwandelt. Und die Wuchsrichtung des Felles verläuft im Gegensatz zu anderen Tieren von den Fußgelenken zu den Schultern und von Bauch zum Rücken. Dadurch kann das Wasser auch von ihm ablaufen, wenn es kopfüber hängt.«

Reichlich Beispiele bringt er für alle anderen Klimazonen und Regionen. So gilt es in den Polarregionen, Kälte und monatelange Dunkelheit zu überstehen. In der Tundra kommt ein schneidender Wind dazu. Trotzdem gedeihe hier die Arktis-Weide, schreibt der Autor. Sie wachse halt nicht nach oben, sondern breite sich bis zu fünf Meter lang und nur wenige Zentimeter hoch auf dem Boden aus. Eine Pflanze mit einem nur zentimeterbreiten Stammdurchmesser könne dabei durchaus 400 Jahre alt sein.

In der Wüste, als ein Gegenstück dazu, braucht es stattdessen Strategien, um sich kühl zu halten, mit Wasser zu versorgen und sogar für Nachwuchs zu sorgen. Dabei klären sich allerlei Fragen, die man sich vielleicht schon gestellt haben stellen könnte: Warum eigentlich ist der Kot mancher Wüstentiere knochentrocken? Haben die Stachel der Kakteen auch einen anderen Sinn, als vor Fressfeinden zu schützen? …

Bio-Wissen und Ökologie inklusive

Geschickt baut Attenborough immer wieder biologische und ökologische Grundlagen in seine Beschreibungen ein. Mal erklärt er zum Beispiel im Zusammenhang mit Graslandgebieten und den dortigen Tiergemeinschaften die Staatenbildung – wie es Termiten tun –, mal sind es Stoffwechselwege unterschiedlicher Pflanzen. Während seine Ausflüge in die Evolution zu den wenigen trockenen Passagen gehören, überwiegen sonst eher lockere Beschreibungen, so wie beim Nilpferd als größtem Bewohner der Flüsse Afrikas: Dass die Tiere abends ans Ufer trotten und sich die Bäuche mit Gras vollschlagen, ist laut dem Autor für andere Bewohner im Fluss von großer Bedeutung – denn anschließend deponieren sie ihren Kot und damit reichlich Nährstoffe im Wasser. »Deshalb schwimmen ganze Fischschwärme ununterbrochen um die Hinterteile der Riesen und warten auf die nächste Futterlieferung«, hält Attenborough humorvoll fest.

Im Lauf der schriftlichen Reise um den Globus lernt man immer wieder einzelne oder hier zu Lande fremde Tierarten näher kennen. Bei den Vögeln geht der Autor beispielsweise auf Albatrosse ein, die mit über drei Metern Spannweite die längsten Flügel aller Arten besäßen. Dabei löst er auch das Rätsel, wie die Vögel, ohne einmal mit den Flügeln zu schlagen, stundenlang in der Luft bleiben können. Manche der äußerst lebendig beschriebenen Tiere sind allerdings mittlerweile ausgestorben.

Lesenswert mit kleinen Einschränkungen

Gleich eingangs betont Attenborough, keinen Anspruch auf Korrektheit zu erheben. Manche Stellen machen aber doch unnötig stutzig, unter anderem bei der vagen Beschreibung der Fotosynthese oder wenn er bei den Vulkanen einfach mal von Lava, Basalt oder Magma spricht. Fragen dürfte man sich auch, ob alle genannten Zahlen immer ganz glaubhaft sind.

Abgesehen davon lohnt sich die Lektüre des Buchs mit seinen hervorragenden Fotostrecken unbedingt. Attenborough gelingt es, in seinen lebendigen Schilderungen quasi nebenbei die Schutzwürdigkeit der diversen Naturräume bewusst zu machen. Im Nachwort verrät er dann auch: Es gehe ihm weder darum, vor den Schäden zu warnen, die wir unserem Planeten zugefügt haben, noch direkt darum, was zu tun ist. Vielmehr wolle er Tier- und Pflanzengemeinschaften beschreiben, um ihr Funktionieren zu verstehen. Denn: »Nur mit diesem Verständnis wird es uns gelingen, die Schäden zu beheben, die wir unserem Planeten zugefügt haben.«

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