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Buchkritik zu »Der Stoff, aus dem der Kosmos ist«

Kann es ein Sachbuch zum Schmökern geben? Ein Buch über Wissenschaft, das mehr erzählt als belehrt und seine Leser fesselt, so spannend wie ein kluger Roman? Der New Yorker Physik-Professor Briane Greene tritt den Beweis an, dass man so ein Buch tatsächlich schreiben kann. "Der Stoff, aus dem der Kosmos ist" ist die Geschichte von Raum und Zeit.

Natürlich beginnt Greene seine Erzählung mit dem Weltentwurf von Newton: Der absolute Raum und die konstant ablaufende Zeit bilden den Rahmen für die Gesetze der klassischen Physik. Newtons intuitiv einleuchtende Beschreibung ist jedoch doppelt falsch. Zum einen bemerken die Physiker für sehr große Gechwindigkeiten oder sehr große Massen die Effekte der Einstein'schen Relativitätstheorie, in der eine dynamische Raumzeit das starre Gerüst Newtons ablöst. Und zum anderen benötigt man um Experimente mit Elementarteilchen zu verstehen Quantentheorien. Sie zeigen unter anderem, dass es nichtlokale Wirkungen gibt – ganz im Gegensatz zum Geist der Relativitätstheorie.

Was also ist heute das umfassende Konzept, mit dem man Raum und Zeit konsistent beschreiben kann, vom Makro- bis hin zum Mikrokosmos?

Die frappierende Antwort auf diese Frage ist, dass bis heute niemand ein solches Konzept gefunden hat. Große Hoffnungen setzt die Physikergemeinde jedoch auf die so genannte Stringtheorie, in denen die verschiedenen Elementarteilchen durch die Schwingungsmuster von eindimensionalen Fäden repräsentiert werden.

Der Autor, selbst ein Experte auf dem Gebiet der Strings, führt seine Leser behutsam auf rund 350 Seiten an den Punkt, wo ersichtlich wird, warum die Stringtheorie ein heißer Kandidat ist, um die drängende Frage nach der Beschaffenheit der Welt zu klären. Der Weg dorthin führt durch die Relativitätstheorie, die Quantentheorie und schließlich durch die Kosmologie. Greene schafft es, dass der Leser diesen Weg wie einen – langen – Spaziergang erlebt. Neben dem didaktischen Geschick ist dabei auffällig, dass vieles mehrfach erklärt wird. Doch diese Redundanz ist gewollt und hilft dem Leser, die jeweils wichtigen Details präsent zu haben. Ebenso positiv ist, dass auch die experimentellen Ergebnisse der letzten fünf Jahre diskutiert werden; etwa die WMAP-Messungen oder die beschleunigte Expansion des Universums.

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, die über moderen theoretische Physik schreiben, scheut sich Greene nicht, die Stringtheorie tatsächlich zu erklären – soweit das bei einer bislang nur mathematischen Theorie eben möglich ist ohne Formeln zu verwenden. Und auch wenn er ein erklärter Verfechter der Strings ist, bemüht sich Greene stets um Fairness. Er spart die Alternativen zur Stringtheorie nicht aus und weist den Leser auf Schwachstellen hin, die auch in der von ihm favorisierten Stringtheorie bleiben.

Im letzten Teil des Buches geht es dann schließlich um die kühnsten Träume der Physiker. Wie weit wird das Verständnis vom Kosmos jemals reichen? Greenes Antwort ist am besten mit dem Satz zusammengefasst, mit dem er sein Buch schließt. Ein Satz, der nebenbei auch stilistisch das Buch charakterisiert: "Doch ich persönlich kann mir nichts Poetischeres, kein eleganteres Ergebnis, keine vollständigere Vereinheitlichung vorstellen, als die Bestätigung unserer Theorien über die allerkleinsten Dinge – unserer Theorien über die ultramikroskopische Beschaffenheit von Raum, Zeit und Materie – zu finden, indem wir unsere leistungsfähigsten Teleskope himmelwärts richten undstill zu den Sternen emporschauen."

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  • Quellen
ASTRONOMIE HEUTE 4/2005

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