Direkt zum Inhalt

Das Wunder der Figurensteine

Gottfried Hofbauer ist promovierter Geologe und war viele Jahre Lehrbeauftragter an der Universität Erlangen-Nürnberg. Heute ist er freiberuflicher Wissenschaftler und bietet geowissenschaftlich fokussierte Seminare und Exkursionen an. Im vorliegenden Buch führt er seine Leser durch eine Zeitreise im doppelten Sinn: Ausgehend vom 23. Oktober 4004 v. Chr., dem vom irischen Theologen James Ussher (1581-1665) errechneten Datum der "Schöpfung", beschreibt er, wie sich zusammen mit den modernen Wissenschaften das Verständnis von Zeit entwickelte.

Zunächst legt der Autor den Stand der Wissenschaften zu Beginn der Aufklärung dar. Er schildert, wie aus religiösen Schöpfungsgeschichten empirisch basierte Vorstellungen hervorgingen, die sich zunehmend exakter Methoden und Modelle bedienten. Bis ins 18./19. Jahrhundert unterschied man noch Naturhistorie und Naturphilosophie; dann begannen sich eigenständige Forschungsbereiche voneinander abzugrenzen. Mit Entstehung und Entwicklung des Systems Erde beschäftigen sich seitdem die Geowissenschaften.

Unfassbar alte Hinterlassenschaften

Lange hat es gedauert, bis die Menschen in der Lage waren, "Figurensteine" (eine frühe Bezeichnung für Fossilien) zu verstehen und zeitlich korrekt einzuordnen. Auch das Stenosche Lagerungsgesetz wurde erst lange nach seiner Niederschrift als allgemeines Prinzip akzeptiert; es besagt, dass ältere Schichten fast immer unter jüngeren liegen, und bildet damit einen der wichtigsten Grundsätze moderner Geowissenschaften. Das sind nur einige Beispiele, anhand derer Hofbauer die Evolution des Zeitbegriffs aus geowissenschaftlicher Sicht darstellt.

Der Autor scheut nicht davor zurück, große Namen zu entmystifizieren – beispielsweise, wenn er darlegt, das der Naturforscher Isaac Newton (1643-1727) zwar wichtige Beiträge zur klassischen Physik und anderen Disziplinen lieferte, sein Denken und seine Religiosität aber klar in den Vorstellungen seiner Zeit verhaftet waren. Auch auf Charles Darwin (1809-1882) und dessen Forschungsfahrten geht Hofbauer ein. Dabei thematisiert er kaum Bekanntes wie die geologischen Überlegungen des Forschers, der sich unter anderem mit den Erosionsraten der britischen Schreibkreide befasste.

Isotopendatierung und fossiler Magnetismus

Im weiteren Verlauf des Buches widmet sich der Autor den technischen Grundlagen der modernen Geowissenschaften. Die Entdeckung der Radioaktivität und den Nutzen, den Geowissenschaftler daraus zogen, legt Hofbauer genauso dar wie die Entwicklung der Paläomagnetik und ihren Einfluss auf die Tektonik. Immer wieder zeigt der Autor die Verknüpfungen der Geo- mit anderen Wissenschaften und fügt damit der Wissenschaftshistorie eine interessante, neue Perspektive hinzu.

Die Aufmachung des Buchs ist einfach, aber überwiegend gelungen. Ein klar strukturierter und konventionell gesetzter Text; eine sparsame, aber eindeutige Hervorhebung von Begriffen, Zitaten und Verweisen machen den Inhalt sehr übersichtlich. Zu kritisieren ist die Einbindung der zahlreichen Fotografien, die in zwei Abschnitten zusammengefasst sind; auch liegen sie leider nur in Schwarzweiß vor. Dass im Haupttext jeder Bezug zu den Fotos fehlt, wertet ihre Bedeutung für den Leser obendrein merklich ab.

Dennoch überzeugt das Werk, indem es dreihundert Jahre Wissenschaftsgeschichte auf gut 100 Seiten interessant komprimiert und dabei einen sauberen roten Faden beibehält.

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Paläogenetik

Uralte DNA auf Fossilien kann längst vergessene Geheimnisse und Verhältnisse lüften. Durch die Paläogenetik weiß man beispielsweise, wann Neandertaler und Homo sapiens erste gemeinsame Nachkommen zeugten. Neue Analyseverfahren genetischer Überreste erzählen so die Menschheitsgeschichte im Detail.

Spektrum - Die Woche – Bei Dauerstress lässt das Gehirn den Körper altern

Stress macht nicht nur müde – das Gehirn lässt den Körper bei Dauerstress auch schneller altern. In »Die Woche« erfahren Sie, wie das Gehirn als »Alterungsmanager« fungiert, warum Pinguine einst lange Schnäbel hatten und welche Risiken die versenktee Atommüllfässer im Atlantik bergen.

Spektrum Geschichte – Aufrechter Gang

Unsere Vorfahren kletterten von den Bäumen und liefen allmählich auf zwei Beinen. Dieses Szenario war unter Fachleuten lange unstrittig. Doch inzwischen ist klar: So simpel lief es nicht ab, wie Fossilien und neue Grabungen an den berühmten 3,66 Millionen Jahre alten Fußspuren von Laetoli ergaben.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.