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»Die Geschichte der Welt in 47 Grenzen«: Unbegrenzte Lesefreude

Jonn Elledge liefert zwar keine vollständige Weltgeschichte, dafür aber einen unterhaltsamen Bericht zur Entstehung der Grenzen auf unseren Karten.

Die Chinesische Mauer, der römische Limes, das Großreich Dschingis Khans oder der Eiserne Vorhang und die Teilung Berlins – dass all dies in einem Buch vorkommt, das die Geschichte der Welt entlang von Grenzen erzählen möchte, verwundert nicht. Ebenso mag man bei einer Darstellung geschichtlich-territorialer Vermächtnisse Berichte über die Enklave Kaliningrad, die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea oder die Grenze zwischen Palästina und Israel erwarten. Insofern liefert »Die Geschichte der Welt in 47 Grenzen« nichts überraschend Neues. Gleichwohl lohnt sich die Lektüre, denn John Elledge gelingt es, die historischen Fakten in jeweils etwa zehn Seiten langen Kapiteln sehr unterhaltsam, kompakt und fundiert aufzubereiten.

Dabei ist es, das räumt der Autor selbst zu Beginn des Buchs ein, gar nicht seine Absicht, eine vollständige Geschichte der Welt vorzulegen oder diese chronologisch zu erzählen. Vielmehr folgt das Buch nur im ersten Kapitel grob einer chronologischen Ordnung. Denn es beginnt hier mit einer der vermutlich ersten Grenzen der Menschheit, der zwischen Ober- und Unterägypten, und gelangt über das Reich Karls des Großen bis eben zur Teilung Berlins. In einem zweiten und dritten Teil folgt die Zusammenstellung der Geschichten einer noch loseren Ordnung, wenn der Journalist Elledge von »Vermächtnissen« und »anderen Arten von Grenzen« berichtet.

So könnte man die Zusammenstellung der Geschichten als etwas willkürlich empfinden – das tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch. Denn diese eher lose Zusammenstellung ermöglicht es, das Buch nicht nur von vorn nach hinten zu lesen, sondern direkt in die Kapitel zu springen, die einen besonders interessieren oder durch die man Wissenslücken schließen möchte.

Ein Baum mit Konfliktpotenzial

Die Kapitel selbst garniert der Autor mit interessanten Anekdoten, die ebenso unterhaltsam sind wie der nicht immer ganz ernste Schreibstil. Zum Beispiel, wenn er sich der Grenze zwischen Nord- und Südkorea widmet: Um die Geschichte der Teilung dieses Landes zu rekapitulieren, braucht es das Buch sicher nicht, dafür reicht im Zweifel eine kurze Internetrecherche. Elledge erzählt die Geschichte aber anders und launiger, indem er »Die Gefahren der Gartenarbeit in der koreanischen demilitarisierten Zone« zum Aufhänger macht. Gemeint ist hier ein Streit der beiden Koreas um einen im Grenzbereich stehenden Baum, der vermeintlich einst vom »glorreichen Führer« Kim Il-Sung gepflanzt wurde und um den 1976 ein Streit entbrannte, weil er die Sicht eines UN-Checkpoints beeinträchtigte. Nachdem bei einer ersten Handgreiflichkeit zwei amerikanische Soldaten getötet wurden, begann die Operation »Paul Bunyan« – benannt nach einem sagenhaften riesigen Holzfäller –, an der 300 Soldaten teilnahmen um, flankiert von B-52-Bombern, Kampfflugzeugen und Hubschraubern, dem Baum den Garaus zu machen. Er hatte keine Chance. Dank solcher Geschichten vermittelt das Buch die historischen Fakten sehr unterhaltsam.

Im dritten Kapitel stehen andere Arten von Grenzen im Zentrum, nämlich solche, die nicht die Territorien der Staaten voneinander trennen. So erzählt Elledge die Geschichten der Zeitzonen, des Nullmeridians oder von Grenzen in der Luft – denn gäbe es letztere nicht, wäre ein internationaler Flugverkehr kaum möglich. Zugleich wird deutlich: Es braucht eine überstaatliche Organisation, welche die Einhaltung dieser Grenzen überwacht. Dass und wie eine solche Überwachung funktioniert – oder auch nicht, wie im Falle der Krim nach der russischen Invasion –, erklärt der Autor sehr anschaulich.

Insgesamt ist Jonn Elledge ein unterhaltsames und zugleich lehrreiches Buch über Grenzen und Begrenzungen gelungen, das man klar weiterempfehlen kann.

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