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»Die Geschichte des Terrorismus«: Terrorismus als Begleiterscheinung

Leben wir heute im Zeitalter des Terrorismus? Dafür stehen Schlagworte wie der 11. September, Islamischer Staat, Rechtsterrorismus. Dass dieser Eindruck täuscht, führt der Historiker Tobias Hof vor. Eine Rezension
Blumen und andere Gedenkgaben vor dem Bataclan-Theater im Dezember 2015

Terrorismus ist keineswegs ein neues Phänomen: In der Römischen Republik verehrte man zwei Attentäter, die im Jahr 514 v. Chr. versuchten, den herrschenden Tyrannen zu töten; im Mittelalter und in der islamischen Welt war er präsent; und auch im 19. Jahrhundert war Terrorismus global verbreitet. Bis zur Französischen Revolution hatte das Wort Terror nicht einmal eine negative Bedeutung. Es schien bis dahin ein adäquates Mittel, um die richtige politische Ordnung durchzusetzen.

Meist beginnt es mit einem Attentat auf den Herrscher

Aber kann man die Ereignisse überhaupt miteinander vergleichen? Ja, beschreibt der Historiker Tobias Hof in seinem sehr empfehlenswerten Buch, denn seit den Anfängen sei der terroristische Akt das Mittel der Unterlegenen gegenüber den herrschenden Mächten. Meist beginne es mit dem Attentat auf den Herrscher, erweitere sich dann auf führende Personen und darüber hinaus auf deren Vertreter – bis zur eigenen Bevölkerung (beziehungsweise jenen Menschen, die sich dem Herrscher nicht widersetzen und die Terroristen nicht unterstützen). Am Ende leiden auch vollkommen Unbeteiligte darunter.

In Rom stellte die Tyrannei die Gefahr dar, bei den Assassinen im 12. Jahrhundert die christlichen Kreuzzüge, für die Sozialrevolutionäre im 19. Jahrhundert die Machtherrscher, für den Ku-Klux-Klan alles Fremde oder für separatistische Terroristen wie im Baskenland die Unterdrückung der regionalen Tradition. Alle eint ein Verständnis, durch starke Mächte existenziell bedroht zu werden, so dass praktisch jede Gewalttat als legitim gilt.

Damit wolle man auch die jeweils Mächtigen zu Gegenschlägen herausfordern, um Sympathien für die terroristischen Gruppen provozieren. Der Autor beschränkt seine Geschichte keineswegs auf den Terrorismus. Vielmehr erklärt er anhand vieler Beispiele, wie staatliche Mächte mit Staatsterrorismus umgehen, zum Beispiel der von der US-Regierung 2001 ausgerufene »Krieg gegen den Terror«.

Wie Hof erklärt, ändern sich die jeweiligen Formen von Anschlägen mit dem Stand der technischen Entwicklung: von Dolchen in Antike und Mittelalter über Dynamit als Waffe des kleinen Mannes im 19. Jahrhundert bis zu entführten Flugzeugen und Cyberterrorismus.

Informativ schildert das Buch verschiedene terroristische Bewegungen. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 griffen die Aufrührer auf terroristische Gewalttaten zurück. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren es vor allem Anarchisten, die in Russland unzählige Bombenattentate begingen. Ähnlich operierten ethnisch-nationalistische Terroristen in Irland oder in Südosteuropa, was mit den berühmten Schüssen von Sarajevo in den Ersten Weltkrieg führte. Rassistischer und rechter Terror herrscht in den USA seit dem Bürgerkrieg, in Deutschland während der Weimarer Republik und in Rumänien. Mit Terror wurden die vielen Kriege zur Befreiung vom Kolonialismus geführt. Später kam der Terror der PLO, in Lateinamerika vor allem der Staatsterror der Militärdiktaturen.

Natürlich geht das Buch auch auf die Entwicklungen des 21. Jahrhunderts ein. Wenn man diese Ereignisse vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachtet, relativieren sich die aktuellen Bedrohungen. Unser heutiges Zeitalter zeichnet sich nicht durch Terrorismus aus. Vielmehr scheint Terrorismus eine Begleiterscheinung von staatlicher Macht.

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