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»Die großen Unbekannten der Mathematik«: Eine andere Geschichte der Mathematik

Kate Kitagawa und Timothy Revell präsentieren vergessene Größen der Mathematikgeschichte. Fachliche und sprachliche Mängel trüben das Lesevergnügen ein wenig.
Eine dreidimensionale Landschaft aus verschieden großen, erhabenen goldfarbenen Zahlen vor dunklem Hintergrund.

Die Mathematikhistorikerin Kate Kitagawa und der Wissenschaftsjournalist Timothy Revell haben sich der Aufgabe gestellt, ein populäres Buch zur Mathematikgeschichte zu verfassen, dem es weniger um Leben und Werk der bekannten männlichen europäischen »Größen der Mathematik« geht als vielmehr um die Beiträge von Frauen und nicht europäischen Kulturen.

Die beiden in den USA lebenden Autoren möchten mit ihrem Buch möglichst viele Leserinnen und Leser ansprechen, mathematische Vorkenntnisse erwarten sie nicht. Entsprechend erfolgt die Beschreibung der fachlichen Themen der im Buch auftretenden Personen eher in allgemeiner Form. Beispiele und Grafiken sorgen für ein gewisses Maß an Konkretisierung und Veranschaulichung. Die Qualität der Schwarzweißabbildungen lässt jedoch oft zu wünschen übrig. Ärgerlich ist beispielsweise, dass das im zweiten Kapitel aufwendig beschriebene Hexagramm aus dem »Buch der Wandlungen« (China, ca. 750 v. Chr.) am oberen und am unteren Rand abgeschnitten ist, so dass das Bild nicht mit seiner Beschreibung übereinstimmt. Auch warum bei der Bestimmung der Kreiszahl Pi ein (regelmäßiges) Fünfeck und ein Achteck abgebildet sind, erschließt sich nicht – andererseits fehlt die Erläuterung, was das ebenfalls abgebildete Sechseck mit den Berechnungen von Liu Hui und Al-Kashi zu tun hat.

Wenn Leibniz zu spät zur Party kommt

Die Stärke des Buchs liegt sicherlich in den Passagen, in denen die Lebensläufe und Schicksale einzelner Personen, insbesondere von Frauen, in ansprechender Weise »erzählt« werden – und das sind sehr viele. Dabei wird ein durchaus lockerer Sprachstil gepflegt, etwa in Sätzen wie »Aryabatha näherte sich an Pi an«, »Leibniz kam zu spät zur Party« oder »Newton wusste bereits, dass Tangenten und Flächen unter Kurven gegensätzlich sind.«

Auch wenn in den 15 Kapiteln des Buchs viele spannende wissenschaftshistorische Fakten und biografische Informationen über Persönlichkeiten aus allen Kontinenten und den letzten 3000 Jahren enthalten sind, werden Leser, die das Buch aus fachlichem Interesse kaufen, insgesamt wohl eher enttäuscht sein. Immerhin: Das umfangreiche Quellenverzeichnis enthält genügend Hinweise auf weitere Literatur, die helfen können, einzelne Aspekte zu vertiefen.

Das Übersetzen von Texten mit fachlichen Inhalten setzt gewisse Kenntnisse im Fachvokabular voraus. Diese Bedingung ist bei der vorliegenden Übertragung leider nicht immer erfüllt, sonst wäre ein Fehler wie beispielsweise die Übersetzung der Bruchzahl »ein Drittel« mit »Terz« nicht unterlaufen und Gleichungssysteme wären nicht als »Simultangleichungen« bezeichnet worden. Auch ist nicht nachvollziehbar, wieso beim Lösen von quadratischen Gleichungen »negative Mengen« auftreten.

Der Lesefluss wird leider auch durch Formulierungen gehemmt, die sich offensichtlich aus einer Wort-für-Wort-Übersetzung ergeben; oft erkennt man am holprigen Text unmittelbar, wie das englischsprachige Original lautet. Manche Sätze werden so erst beim zweiten Lesen verständlich; bei anderen erschließt sich gar nicht, was eigentlich gemeint ist; wenn es etwa heißt »Die Astronomie im Gupta-Reich war eng mit der Folklore verbunden« oder »Die Prominenz in diesen Geschichten trug jedoch dazu bei, eine Bewegung zu initiieren, die sich um wissenschaftliche Übersetzungen kümmerte«. Wenn man jedoch die ersten textlichen Stolperstellen überwunden und sich an die beschriebenen Defizite »gewöhnt« hat, wird man das Buch, das tatsächlich viele vergessene Aspekte der Mathematikgeschichte anspricht, mit Interesse zu Ende lesen.

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