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»Die Kämpfe der Zukunft«: Vorboten eines neuen Sozialismus?

Thomas Piketty und Michael J. Sandel entwickeln im Dialog die Vision einer gerechten Gesellschaft. Sie argumentieren für Umverteilung, Partizipation und Anerkennung.

Während die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 2025 eine deutliche Schlappe erlitten, konnten die Linken zur Überraschung vieler einen erstaunlichen Stimmenzuwachs erzielen. Äußert sich darin vielleicht das Bedürfnis, dass Themen wie eine sozial ausgeglichene Verteilung von Vermögen und Einkommen noch stärker ins Zentrum politischer Diskussionen rücken sollten?

Das würde die Argumentation von Thomas Piketty und Michael J. Sandel in »Die Kämpfe der Zukunft« stärken. Die von ihnen beschriebenen Kämpfe kreisen um eine Zukunft der Linken. Piketty ist ein französischer Sozial- und Wirtschaftshistoriker, dessen Buch »Das Kapital im 21. Jahrhundert« weltweit 2,5 Millionen Mal verkauft wurde. Sandel, Philosoph und Professor für Regierungslehre an der Harvard University, wurde insbesondere durch seinen internationalen Bestseller »What money can’t buy« bekannt; er gilt als einer der prominentesten Kritiker der »Meritokratie«, für die der Status eines Menschen durch die Resultate seiner Bemühungen als Individuum legitimiert wird.

Das Buch basiert auf einem Dialog, den beide an der Paris School of Economics geführt haben. Kontroversen fehlen völlig, die beide ergänzen sich in ihren Positionen eher, als dass sie auseinanderdrifteten. Piketty betont in seinen Beiträgen die ökonomischen Aspekte des Themas. Dabei belegt er etwa, dass zwischen 1930 und 1990 in den USA, in Schweden und Deutschland sowie in anderen westlichen Ländern progressive Einkommensteuern von bis zu 90 Prozent erhoben wurden, ohne dass die Wirtschaftsleistung signifikant zurückgegangen sei. Erst mit der Angebotspolitik von Ronald Reagan, Margaret Thatcher und anderen seien die Einkommensteuern so stark gesenkt worden, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich so weit öffnen konnte, wie dies heute zu beobachten ist, da Libertarismus im politischen Handeln vielerorts wieder an Bedeutung gewonnen hat.

Sandel ergänzt Pikettys Ausführungen zur Ökonomie um moralische Komponenten, insbesondere durch seine Kritik an der Meritokratie: »Sie zersetzt das Gemeinwohl«, so der Autor. Sie sei geprägt von dem Versprechen »you can make it, if you try«, der entsprechenden Aufstiegsrhetorik und der Bevorzugung von Akademikern. Indem selbst Politiker wie Tony Blair oder Gerhard Schröder diese übernommen haben, habe die Sozialdemokratie insgesamt ihre angestammte Klientel, bestehend aus Arbeiterklasse und unterer Mittelschicht, zunehmend vernachlässigt. Sie begünstigte so nicht nur, erklärt Sandel, weitgehend die gesellschaftliche Ungleichheit, sondern habe mit dem Versprechen vom Aufstieg durch höhere Bildungsabschlüsse auch die Entstehung neuer Akademikereliten verursacht, die schließlich auf Arbeiter und andere Bürger herabzusehen begannen. Sandel betont, dass so insbesondere die Würde der vernachlässigten Klassen herabgesetzt worden sei. In seinen Augen erklärt sich damit der Erfolg von Trump und, so könnte man hinzuzufügen, der »Alternative für Deutschland.«

Es geht auch um Würde und Anerkennung

Einig sind sich beide, dass eine neue Sozialdemokratie die »Dekommodifizierung« stoppen müsse: gemeinschaftliche Güter müssten wieder von der Gemeinschaft übernommen, finanziert und gerecht verteilt werden. Das gelte insbesondere für Gesundheitssysteme, Bildung, Energie, öffentliche Infrastruktur und anderes mehr. Sie fordern daher eine Rückkehr zu hohen progressiven Einkommensteuern und – wegen der Globalisierung – eine international harmonisierte Steuerpolitik, die eine Flucht in Steuerparadiese verhindere. Dazu gehöre, so Piketty, ein zweckgebundener »Anteil der globalen Steuer für die reichsten Milliardäre und multinationalen Unternehmen, die direkt an Länder in den Süden fließt, proportional zu ihrer Bevölkerungszahl, vielleicht auch proportional zu ihrer Gefährdung durch den Klimawandel.«

Insgesamt umfasst der Dialog des Autorenduos drei Aspekte der Gleichheit: die Verteilung von Einkommen, die Mitsprache und Partizipation der Menschen an der Politik sowie Fragen von Würde und Anerkennung als »politisch und vielleicht auch moralisch […] größte Kraft« (Sandel). In all diesen drei Fragen zeigen sie sich weitgehend einig und plädieren für einen neuen »demokratischen, internationalistischen Sozialismus« (Piketty). Mit Blick auf Trump und andere Politiker wenden sie sich gegen die »umfassende Eigentumskonzentration in den Händen weniger, die zu einer Machtkonzentration führt«.

Das nur etwa 150 Seiten umfassende Buch ist ein leicht zu lesender und sehr verständlicher Dialog, dem allerdings manchmal eine gewisse Tiefe fehlt. Er lässt sich als aktueller Kommentar zum vielerorts manifesten Niedergang der Sozialdemokratie und ihren Fehlern insbesondere in den letzten beiden Dekaden lesen. Piketty und Sandel fordern vehement eine neue linke Politik. Allerdings darf man angesichts der Politik von Trump, Putin, Xi und anderen bezweifeln, dass eine im Sinne der Autoren gleichere und gerechtere Zukunft in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden kann.

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