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Die Welt des Geruchs

Verglichen mit unseren anderen Sinnen wird der Geruch häufig vernachlässigt – dabei spielt er eine wichtige Rolle, wie der Neuroethologe Bill Hansson betont.

Es gibt wohl kaum ein Buch über das Riechen, das nicht betont, wie die Forschung die beiden chemischen Sinne Geruch und Geschmack vernachlässigt. Auch aus historischen Gründen hat sich bereits früh die Unterscheidung zwischen »höheren« und »niederen« Sinnen etabliert, sind doch Sehen und Hören für die menschliche Kommunikation und das Sozialleben grundlegend. Doch in den letzten Jahrzehnten haben die Geruchsforscher aufgeholt, und es gibt viele interessante Befunde über die Bedeutung chemischer Stoffe aus unserer Umgebung für viele Lebensvorgänge.

Aktueller Forschungsstand zum Thema Riechen

Der Direktor der Abteilung »Evolutionäre Neuroethologie« des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie, Bill Hansson, fasst den gegenwärtigen Forschungsstand zum Thema Riechen zusammen. Dabei erfährt man viele Details über die überraschend große Sensitivität für Geruchsstoffe. Das illustriert der Autor vor allem an tierischen Organismen, denn Hanssons zentrales Forschungsgebiet ist das geruchsgesteuerte Verhalten von Insekten.

Die Kapitel des Buchs sind nach Tierarten gegliedert. Die beiden einleitenden Abschnitte stellen die Riechfunktionen des Menschen dar, an die sich die Erkenntnisse über den Geruchssinn von Hunden, Vögeln, Fischen, Mäusen, Nachtfaltern, Fliegen, Mücken, Borkenkäfern und Krebsen anschließen. Man lernt eine Menge über die lebenswichtige Bedeutung der chemischen Wahrnehmung und die Kommunikation durch Geruchsstoffe für das Leben und Überleben der Organismen. Es liegen zahlreiche belastbare Befunde vor, während die Daten, die an Menschen erhoben wurden, oft aus methodischen Gründen mit Fragezeichen versehen werden müssen.

Ein Kapitel, das der Frage »Können Pflanzen riechen?« nachgeht, fasst ebenfalls interessante Aspekte zusammen. Ob sich der Einfluss von flüchtigen chemischen Substanzen auf die Gewächse jedoch tatsächlich als Nachweis bewerten lassen, bleibt offen. Auch Tiere und Menschen verarbeiten einige chemische Signale wie den Sauerstoffgehalt, die sich auf ihre Körperfunktionen auswirken, ohne dass sie als eigenständige Sinnesmodalität angesehen werden. Davon abgesehen ist das Kapitel jedoch informativ.

In seinem Buch stellt Hansson zudem dar, wie sich die chemische Umwelt im Lauf der Jahrtausende verändert hat; so spricht er auch die negativen Auswirkungen von globalem Temperaturanstieg, Ozonloch, der Verschmutzung der Weltmeere durch Mikroplastik und CO2-Anstieg an. All diese Effekte stören den Geruchssinn von Tieren und Menschen mit beachtlichen Folgen. Beispielsweise können Insekten Gerüche nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs wahrnehmen – entsprechend lässt sich ein Zusammenhang mit dem weltweiten Artensterben vermuten.

Abschließend beschreibt der Autor, wie Menschen Geruch (etwa in Form von Parfüm) für ihre eigenen Zwecke nutzen, und er bietet einen Ausblick in die Zukunft der Geruchsforschung. Eher pessimistisch stimmt ihn, dass synthetische Duftstoffe in unserem Alltag oft natürliche Gerüche verdrängen: Geschäfte und Produkte wie Lebensmittel werden mit künstlichen Düften behandelt. Und auch Autos werden mit einem typischen Neuwagengeruch ausgestattet.

Insgesamt ist das Buch lebendig geschrieben und daher für Laien gut lesbar. Die vielen Beispiele illustrieren, dass die vernachlässigten chemischen Sinne auch unser Alltagsleben prägen.

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