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»Die Rache des Pangolin«: Die Evolution von Viren und die Pandemien

Ein detailreiches Sachbuch zum Thema Pandemie – von früheren Seuchen bis zur aktuellen Diskussion über den Schutz der Artenvielfalt.
Ein halb zusammengerolltes Pangolin guckt in die Kamera und fragt sich vermutlich, ob seine Schuppen wirklich Potenzprobleme beseitigen. Spoiler: Nein.

Das lesenswerte Buch des Evolutionsbiologen Matthias Glaubrecht beschreibt die biologischen Grundlagen von Pandemien, die Suche nach dem Ursprung des Virus, das die derzeitige Corona-Pandemie ausgelöst hat, sowie die Ausbreitung von Seuchen, die die Menschheit seit 430 vor Christus immer wieder heimgesucht haben. Der etwas ungewöhnliche Titel spielt auf die Überschrift eines Zeitungsartikels an: Pangoline sind Schuppentiere, deren Rolle als Zwischenwirt für Corona-Viren diskutiert wurde. Dabei ist die Überschrift eigentlich unnötig vermenschlichend, denn es handelt sich hier nicht um einen Krimi, sondern um ein Sachbuch – das Pangolin hatte sicher keine »Rache« im Sinn!

Das Werk besteht aus drei großen Teilen, die sich mit der Suche nach dem Ursprung der Corona-Pandemie, der Ausbreitung früherer Epidemien und einem Ausblick über unsere Handlungsmöglichkeiten beschäftigen. Dem umfangreichen Text von 536 Seiten folgen ein Glossar, eine Chronologie der wichtigsten Seuchen, ausführliche Anmerkungen zum Text sowie ein Literatur- und Stichwortverzeichnis. So haben die Leserinnen und Leser die Möglichkeit, sich über Details zu informieren, und erhalten einen Überblick über die relevante aktuelle wissenschaftliche Literatur. 

Woher die Seuche kommt, ist nicht so einfach zu beantworten, wie es auf den ersten Blick scheint. Corona-Viren existieren schon seit Längerem und waren immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Glaubrecht beschreibt, wie Viren in verschiedenen Tierarten nachgewiesen wurden, etwa in Fledermäusen oder anderen Wildtieren. Der Sprung der Erreger vom Tier zum Menschen wird als Zoonose bezeichnet – sich auf eine einzige Ursache solcher Ansteckungen zu konzentrieren, erscheint jedoch nicht sinnvoll: Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie gab es drei genetisch unterschiedliche Virenstränge. Und Viren verändern sich weiter, gemäß dem bekannten evolutionsbiologischen Ziel, vorteilhafte genetische Eigenschaften in einer Population zu verbreiten. Dass die Pandemiebekämpfung so schwierig ist, liegt auch daran, dass Informationen aus der Wissenschaft oft lange ignoriert werden, denn wie der Autor schreibt, ist »das Virus ... dem Verhalten der Menschen stets einen Schritt voraus, der Umsetzung von Wissen durch die Politik sogar um Längen«. Die Darstellung der Verbreitung der Corona-Viren ist detailreich und spricht auch die Frage nach einem Laborunfall in Wuhan an. Dieser scheint Glaubrecht recht unwahrscheinlich zu sein, denn »durch Labormanipulation von Viren ist noch zu keiner Zeit jemals eine Pandemie ausgelöst worden«. 

Der zweite Teil des Buchs zeigt, dass sich in der Geschichte der Menschheit schon immer Seuchen verbreitet haben. Viren und Bakterien sind die ältesten Bekannten des Menschen und haben sich mit ihm gemeinsam entwickelt. Tödliche Krankheiten wie die Masern, Pest, Ebola, AIDS oder die Grippe kommen seit Hunderten von Jahren vor. Der Mensch ist Teil der Natur – so überrascht es wenig, dass Erreger immer wieder den Sprung vom Tier zum Menschen schaffen. 

Im letzten Teil illustriert der Autor, warum Pandemien in der modernen Welt häufig auftreten. Grund hierfür sind durch den Menschen verursachte Probleme wie die zunehmende Vernichtung der natürlichen Lebensräume und damit der Artenvielfalt sowie die drastische Zunahme der Weltbevölkerung. Je mehr Menschen durch Viren infiziert sind, desto mehr Mutationen der Viren werden ausgelöst – ein bekannter evolutionärer Mechanismus. Ziel kann es folglich nicht sein, Pandemien dadurch zu vermeiden, dass man die Erreger ausrottet, sondern indem etwas gegen die gegenwärtige Zerstörung der Natur unternommen wird. 

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