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Buchkritik zu »Die Rückkehr des Königs«

Ob die Autoren mit dem Titel ihres Buchs auf den gleichnamigen letzten Teil der weltberühmten Fantasy-Trilogie "Herr der Ringe" anspielen wollten? Ich weiß es nicht; aber fantastisch ist die Welt des Wisents allemal. Bison bonasus, das größte Landsäugetier Europas, war als edles Jagdwild so begehrt, dass der kraftvolle Bewohner dichter Wälder zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ausgerottet war. Der letzte frei lebende Wisent Europas wurde 1919 durch Wilderer erlegt. Nur noch 57 Tiere lebten verstreut in europäischen Zoos und Tierparks. Einzelne Engagierte, darunter der Direktor des Frankfurter Zoos, Kurt Priemel, riefen ein internationales Zuchtprogramm ins Leben, in dessen Rahmen 1929 alle noch verfügbaren Wisente in ein umzäuntes Reservat des Walds von Bialowieza verbracht wurden.

Zu 40 Prozent im Nordosten Polens, zu 60 Prozent in Weißrussland gelegen, ist dieser Wald heute eine der letzten Urwaldlandschaften Europas und Heimat für zahlreiche seltene Pflanzen und Tiere. Von 1500 Quadratkilometern Biosphärenreservat sind 105 auf polnischer Seite Nationalpark; ein Kernbereich ist bereits seit 1921 strenges Naturschutzgebiet und nicht öffentlich zugänglich. Trotz Rückschlägen im Zweiten Weltkrieg gelang es bis 1966, die Zahl der Tiere auf der polnischen Seite auf 157 zu erhöhen. Heute lebt dort mit 300 Tieren die größte Herde frei lebender Wisente in Europa.

Eigentlich wollten der Fotograf und Biologe Klaus Nigge und der Biologe Karl Schulze Hagen gar nicht Wisente finden, sondern Reste der längst verlorenen mitteleuropäischen Urlandschaft. So wurden ihre Erwartungen weit übertroffen. In ausgezeichneten Fotografien dokumentiert Nigge neben der urtümlichen Waldlandschaft das Leben der Wisente im Jahreslauf.

Die Faszination für dieses Tier hat schon unsere Vorfahren ergriffen, wie zahlreiche Höhlenmalereien bezeugen, und ist nachvollziehbar. Bullen erreichen eine Länge von 3 Metern, eine Schulterhöhe von 1,8 bis 2 Metern und ein Gewicht von 800 bis 1000 Kilogramm. Entgegen dem ersten Anschein sind Wisente sehr wendig und schnell. So können sie bis zu 2 Meter hohe Hindernisse ebenso überspringen wie 3 Meter breite Gräben; im Sprint erreichen sie eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern. Eine erfahrene Kuh ist Leittier einer Herde von 5 bis 13 Tieren, die ein Revier von durchschnittlich 70 Quadratkilometern beansprucht.

Auch wenn es heute weltweit mehr als 3000 Wisente gibt, so ist das Fortbestehen der Art noch nicht gerettet. Da die Stammzuchtgruppe sehr klein war und die neuen, größeren Herden untereinander keinen Austausch haben, muss man mit gezielten Vermischungsmaßnahmen der Inzucht begegnen. Für die Zukunft ist zu hoffen, dass die Rückkehr des Königs weiterhin erfolgreich verläuft.

Neben dem dominierenden Fototeil bieten sieben kurze Textbeiträge mit den Themen Urzeit, Untergang, Bialowieza, Bison bonasus, Rückkehr, Jagdgeschichten und Zukunft ergänzende Sachinformationen. Insgesamt bietet das Buch einen ganz besonderen Seh- und Lesegenuss, auch für diejenigen, die für den König unserer Urwälder bislang kein Interesse aufbringen konnten.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 7/2005

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