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»Die Salze der Erde«: Profitable Elemente

Kerstin Hoppenhaus schreibt über Phosphor, Stickstoff und Kalium. Dabei geht es auch um Kabeljau, Weizen, Waffen, unseren Herzschlag und die Rechte der Natur. Lesenswert.

»Legen Sie mal Zeige- und Mittelfinger an Hals oder Handgelenk und fühlen Sie. Nur zu, ganz in Ruhe. Ich warte hier«, schreibt Kerstin Hoppenhaus zu Beginn ihres Buchs über wichtige chemische Elemente. Denn unter ihnen ist auch Kalium, das durch winzige Kanäle strömt und jeden einzelnen Herzschlag auslöst. Unsere Proteine sind aus Stickstoff aufgebaut, und Phosphor befindet sich in den Molekülen, über die unser Körper Energie speichert. Die Bedeutung dieser drei Elemente – Stickstoff, Phosphor und Kalium – schildert die Autorin auch an anderen Stellen ihres Buchs ähnlich originell. Ob Politik, Wirtschaft, Geschichte, Landwirtschaft, Kolonialismus, Kriegswesen oder auch mal Chemie: »Die Salze der Erde« besticht vor allem durch die Vielfalt der Informationen und Themengebiete, in die Hoppenhaus eintaucht und aus denen sie unterhaltsam berichtet.

Kerstin Hoppenhaus ist studierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Sie produziert Filme für Arte, schreibt für die »Süddeutsche Zeitung« oder realisiert Projekte mit der BBC. Stipendien ermöglichten es ihr, weltweit die Orte ihrer Recherchen über Rohstoffe zu besuchen. In »Die Salze der Erde« beschreibt sie, wo die drei genannten Rohstoffe auf der Erde – oder auch mal auf dem Mond – zu finden sind, wie sie gewonnen werden und wie sie mittlerweile die Umwelt schädigen. Sie beleuchtet die Folgen des Rohstoffabbaus und schildert, wie die Einwohner der kleinen Pazifikinsel Banaba betrogen und ihres Lebensraums beraubt wurden, nachdem die Europäer dort reichhaltige Phosphatvorkommen entdeckt hatten. Sie berichtet davon, wie die Weideflächen in Neuseeland aus der Luft mit Hilfe von Flugzeugen gedüngt werden, vom früher einmal weltweit führenden Kaliabbau in Deutschland oder davon, wie der multinationale Konzern Unilever unter anderem auf den Gewinnen aus dem pazifischen Phosphatabbau gründet.

Fruchtbare Ackerböden, Waffen und eine aufstrebende Industrie profitierten von den drei Elementen, so Hoppenhaus. Doch, so erläutert sie, gefährdeten diese Stoffe inzwischen – im Übermaß freigesetzt – das ganze Ökosystem Erde, insbesondere die Gewässer. Flüsse und Meere eutrophierten; so hatte etwa die Werra einmal den Salzgehalt der Ostsee. Im Detail stellt Hoppenhaus die oft komplexen Wechselwirkungen nachvollziehbar vor; so auch, warum der Dorsch, wie der Kabeljau in der Ostsee heißt, dort nicht nur unter der Überfischung, sondern auch unter zu viel Phosphor und Stickstoff leidet.

Planetares Gemeinwohl

Hoppenhaus regt an, nicht nur den Kohlenstoff, sondern auch das Vorkommen und den Einsatz der Elemente Stickstoff, Phosphor und Kalium global zu betrachten. In diesem Zusammenhang stellt sie das Konzept planetarer Gemeinschaftsgüter vor, das von einem schwedischen Forschungsteam entwickelt wurde. Ihm zufolge sichert ein »planetares Denken« der Menschheit einen gewissen, wenn auch kleinen Spielraum, um eine gleichberechtigte, gesunde und friedliche Koexistenz aller Lebewesen zu ermöglichen. Die schwedischen Forscherinnen und Forscher rechnen allerdings mit heftigem Widerstand, weil eine planetare Herangehensweise den Interessen einzelner Unternehmen beziehungsweise dem Machtstreben einzelner Staaten und Regionen zuwiderlaufen würde. Doch Hoppenhaus ist zuversichtlich und verweist auf Beispiele wie das UN-Hochseeabkommen, die zeigen, wie eine weltweite Zusammenarbeit gelingen könnte.

Kerstin Hoppenhaus ist ein unterhaltsames und lehrreiches Buch über die drei wichtigen Elemente Stickstoff, Phosphor und Kalium gelungen. Sie weiß ihr Wissen originell zu vermitteln und erschließt dabei auch eher unbekannte oder wenig beachtete Zusammenhänge. So wird in »Die Salze der Erde« im Unterschied zu vielen vergleichbaren Publikationen beispielsweise der Einfluss eines ganz bestimmen Eisenerzes erwähnt, ohne das die Ammoniaksynthese so nicht gelungen wäre. Hoppenhaus beleuchtet zudem die Verwüstungen, welche die Europäer als Kolonialmächte auch beim Rohstoffabbau angerichtet haben. Und sie wägt behutsam die Argumente in der aktuellen Diskussion um die Frage ab, ob der Natur als eigener Rechtsperson ein neues Schutzrecht einzuräumen sei. Es verwundert nicht, dass Kerstin Hoppenhaus für dieses Buch den NDR Sachbuchpreis 2024 erhalten hat.

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