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»Die Sprache der Wale«: Verstehen wir eines Tages »Walisch«?

Den Biologen und Naturfilmer Tom Mustill trieb die Frage um, wie Wale kommunizieren. Daraus entstanden ist ein faszinierendes Buch.
Finnwal beim Ausatmen

2015 sprang ein Buckelwal meterhoch aus dem Wasser und landete auf dem Kajak, in dem der Biologe und Naturfilmer Tom Mustill und seine Freundin Charlotte Kinloch saßen. Sie hatten den Ausflug in der Monterey Bay vor der Küste Kaliforniens gebucht, um Wale zu beobachten.

Beide überlebten den Zusammenstoß mit dem rund 30 Tonnen schweren Tier. Mustill ließ das Erlebte jedoch nicht mehr los. Warum war der Buckelwal aus dem Wasser gesprungen? Um Parasiten abzuschütteln? Seinen Artgenossen etwas mitzuteilen? Hatte er absichtlich versucht, Mustill und Kinloch zu treffen? Oder sie nicht bemerkt? Waren ihm die beiden egal gewesen?

Die Wissenschaft hat viele Theorien über den Grund der Walsprünge hervorgebracht. Doch eindeutige Antworten sind schwer zu bekommen; schließlich kann sich niemand mit den Meeressäugern unterhalten. Mustill wollte dennoch wissen, ob sich herausfinden lässt, was im Kopf eines Wals vor sich geht. Mit seinem Buch nimmt er die Leserinnen und Leser mit auf seine äußerst faszinierende Suche nach der »Sprache der Wale«.

Kluge Abhandlung über das Wesen von Mensch, Tier und Sprache

Erzählt ist das Buch aus der Ich-Perspektive. Doch Mustill lässt auch viele Expertinnen und Experten zu Wort kommen, die er im Rahmen seiner Recherche besucht hat. Wie Roger Payne, der in den 60er Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Scott McVay die Gesänge der Buckelwale entdeckte und bekannt machte, womit er wesentlich zu ihrem Schutz beitrug. Oder die Anatomin Joy Reidenberg, die dem Autor wortwörtlich das Innere eines Wals vor Augen führt. Über seine Begegnungen reflektiert Mustill in intelligenter Weise: Er zeigt, vor welchen Herausforderungen Menschen stehen, die andere Arten erforschen, hinterfragt manche Ansätze, überdenkt aber immer wieder auch seine eigenen Vorstellungen von Sprache sowie von Walen und ihren Fähigkeiten.

Wenig überraschend berichtet der Autor auch von den düsteren Facetten des Verhältnisses von Menschen und Walen. So wurden ihm zufolge allein im 20. Jahrhundert rund drei Millionen der Säugetiere getötet – ein trauriger Rekord in der Bejagung von Tieren. Dabei habe es schon damals auch Erzählungen über Kooperationen zwischen Menschen und Walen gegeben, die auf erstaunliche Fähigkeiten der Wale schließen lassen: So sollen etwa der Orca »Old Tom« und sein Clan zwischen 1860 und 1930 Walfängern an der Südostküste Australiens jahrzehntelang bei der Jagd auf Bartenwale geholfen haben. Im Gegenzug sollen die Jäger ihnen Zungen und Lippen der erlegten Tiere überlassen haben.

Heute ist die Forschung weiter und erlangt nach und nach tiefere Einblicke in das komplexe Sozialleben auch von Walen und Delfinen untereinander. Arten wie der Pottwal beispielsweise kommunizieren innerhalb ihres Clans mit komplexen Klicklauten, sogenannten Codas, die von Clan zu Clan unterschiedlich klingen. Mit modernen Technologien arbeiten Forscherinnen und Forscher mittlerweile daran, die Geräusche und Bewegungen der Pottwale aufzuzeichnen und die daraus entstehenden riesigen Datenmengen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zu entschlüsseln – in der Hoffnung, eines Tages in den Dialog mit den Tieren treten zu können.

Mustills Buch endet mit dieser spannenden Aussicht, die zu weiteren Fragen anregt: Was ist Sprache? Wie ähnlich sind uns Wale und andere Tiere? Und was würde es für unser Verhältnis zu den Tieren bedeuten, wenn es uns tatsächlich gelänge, mit ihnen zu kommunizieren?

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