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»Die Stärke der Frauen«: Einsatz für eine gleichberechtigte Gesellschaft

»Wir müssen gemeinsam für Frauen kämpfen«, ist Denis Mukwege überzeugt. Im kongolesischen Krankenhaus Panzi behandelt der Friedensnobelpreisträger Überlebende von Vergewaltigungen und bietet ihnen medizinische, psychologische und sozioökonomische Hilfe.
Eine Hand umfasst fest einen Unterarm

»Ich setze mich für Frauen ein, weil wir Gleichgestellte sind. Frauenrechte sind Menschenrechte, und es empört mich zutiefst, welche Gewalt meinen Mitmenschen angetan wird. Wir müssen gemeinsam für Frauen kämpfen.«

Mit dem Buch »Die Stärke der Frauen« legt der kongolesische Arzt, Menschenrechtsaktivist und Friedensnobelpreisträger (2018) Denis Mukwege einen Statusbericht über seine Arbeit vor.

Mukwege, der in dem von ihm gegründeten Krankenhaus »Panzi« Überlebende sexueller Gewalt behandelt, fungiert dabei als Berichterstatter, nicht als Autobiograf. Wir erfahren, welche Schritte der Praktiker Mukwege für notwendig hält, um die »weltweite Vergewaltigungsepidemie« auszulöschen. Mukwege verzichtet auf allzu drastische Berichte aus seiner Arbeit. Viel stärker ist ihm daran gelegen, den Fokus in seinem Bericht auf seine Arbeit und vor allem auf die Frauen zu legen, die sich gegen das ihnen angetane Unrecht auflehnen. Oft sind es Nebensätze, die eine Ahnung davon vermitteln, wie oft Mukwege im Lauf seiner Arbeit seelisch an seine Grenze gekommen sein muss.

Denis Mukwege wächst unter ärmlichen Verhältnissen im Kongo der späten Kolonialzeit auf. Seine Mutter fördert seine Entwicklung, indem sie von ihm den gleichen Einsatz zu Hause wie von seinen Schwestern fordert. Das ist ungewöhnlich in einem Gesellschaftssystem, in dem bereits kleine Jungen von ihren Schwestern bedient werden. Sein Vater, ein Pfarrer, nimmt ihn auf Hausbesuche mit. Dort sieht der junge Mukwege die Belastungen, denen sein Vater ausgesetzt ist: Als Pfarrer kann er mit Worten der Seele Linderung verschaffen, eine körperliche Wunde heilen kann er nicht.

Es ist wieder Mukweges Mutter, die ihn unterstützt und bestärkt, Medizin zu studieren. Dass er Gynäkologe wird, dass er sein Leben der Hilfe und der Unterstützung von Überlebenden sexueller Gewalt widmen wird, ergab sich aus der Not, die ihn regelrecht überrollt hat. Von Beginn seiner Ausbildung an gab es keinen Tag, an dem er nicht mehrere Patientinnen zu behandeln hatte, die als Folge der Vergewaltigungen oftmals nicht einmal mehr laufen konnten.

Keine Opfer, sondern Überlebende

Mukwege begreift, dass es nicht genügt, den Körper wiederherzustellen. Im Krankenhaus Panzi werden Hilfesuchende medizinisch, psychologisch und sozioökonomisch betreut. Er betont, dass die Frauen, die zu ihm kommen, keine Opfer sind, sondern Überlebende eines Akts der Gewalt. Daher benutzt Mukwege wie Nadia Murat oder Edith Eger, die den IS-Terror beziehungsweise den Holocaust überlebt haben, konsequent die Bezeichnung Überlebende und nicht Opfer.

Als ersten Lösungsschritt betont Mukwege die Bedeutung einer klaren Gesetzgebung. Es sei wichtig, grenzübergreifend zu arbeiten, da es sich um ein globales Problem handle, dem sich nicht nur auf nationaler Ebene beikommen lasse. Er wirft die Frage auf, warum es weltweit Denkmäler für die gefallenen Soldaten gibt, nicht aber für die in Kriegen zu hunderten Millionen vergewaltigten Frauen. Anhand von Parallelen zwischen der sexuellen Gewalt im Kongo und den Gräueltaten während des Kriegs im Kosovo oder den Kriegstaktiken des IS zeigt Mukwege, dass Vergewaltigung als Waffe ein globales Problem ist.

Mukweges Blick ist von Beginn an ein internationaler: Dass die Lage im Kongo anders wäre, würde der Westen nicht auf die Rohstoffe angewiesen sein (der Boden des Kongo ist reich an Mineralien wie Coltan, Kobalt, Tantal und Zinn), steht für ihn außer Frage. Doch er vermeidet Schuldzuweisungen und appelliert stattdessen an die Eigenverantwortlichkeit des Individuums. Wie es dazu kommt, dass Mukwege offenbar unbeirrbar jeden Tag gegen Gewalt und Korruption auf die Barrikaden geht, fasst er sehr schön gegen Ende des Buchs zusammen: »Ich war immer der Überzeugung, dass Gefühle, denen keine Taten folgen, sinnlos sind. Das ist mein Mantra, danach lebe ich. Wir müssen Wege finden, wie unsere Trauer, Abneigung, Bewunderung und Liebe zu Entscheidungen führt, die das Leiden unserer Mitmenschen mindern.«

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