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»Die Transgender-Frage«: Mehr als Geschlechtszuschreibung

Ein Buch über Menschenrechte, Würde und unser Selbstverständnis als aufgeklärte Gesellschaft. Ein fundierter und wichtiger Text, dem man sich auf Grund der Fülle an Informationen mit viel Konzentration widmen sollte.
Regenbogenflaggen auf einer Kundgebung

»Du musst keine intimen Details kennen, um mich zu unterstützen«, schreibt die englische Transgender Aktivistin Shon Faye. Zu Beginn ihres Buchs betont sie, dass es sich bei ihrem Werk weder um Memoiren noch um Bekenntnisliteratur handelt. Stattdessen liefert ihr Text einen Überblick über die Situation von Transmenschen – gesellschaftlich, politisch und historisch. Dabei legt sie den Fokus auf Großbritannien. Der Veranschaulichung dienen zahlreiche Fallbeispiele, etwa die Geschichte von Rudy. Nachdem der Transmann Opfer häuslicher Gewalt wurde, landete er auf der Straße. Da er mitten in der Hormontherapie steckte, war keine Notunterkunft bereit, ihn aufzunehmen: Man war sich nicht einig, ob man Rudy bei den Männern oder den Frauen unterbringen soll.  

Das Beispiel von Rudy ist eines von wenigen zu Transmännern in dem Buch. Die Autorin schreibt überwiegend über die Erfahrungen von Transfrauen. Dabei könnte es gerade hier spannend werden: Wo zeigen sich Unterschiede in den Biografien von Transmännern und Transfrauen, und können daraus Rückschlüsse auf die Gesellschaft mit ihren binären Geschlechtercodes gezogen werden?

Mehrfach betont Faye, dass es sich beim Thema »Transgender« um viel mehr als um eine »bloße« Geschlechtszuschreibung dreht: Es geht um Menschenrechte, um Würde und um unser Selbstverständnis als aufgeklärte Gesellschaft. Wo in den 1980er Jahren Angst vor einer »schwulen Agenda« geherrscht habe, bestimme heute die Angst vor dem »Genderwahn« die Debatte. Bei nicht einmal einem Prozent der Bevölkerung (die Zahlen variieren zwischen 0,33 und 0,7 Prozent), die transsexuell seien, verwundere es etwas, mit welchem Interesse sich die Medien auf das Thema stürzten. Doch die Berichterstattung sei oft einseitig und klischeehaft. Wichtig sei es, Klarheit für Transmenschen zu schaffen. Ob es um die Teilnahme an den Olympischen Spielen, die Gesundheitsversorgung oder die Unterbringung im Gefängnis gehe – in jedem Fall müsse die Frage geklärt werden, ob ein Transmensch als Mann oder Frau behandelt wird – vor allem wenn die Geschlechtsangleichung noch nicht abgeschlossen ist. 

Die Autorin legt mit »Die Transgender-Frage« den Fokus auf einige blinde Flecken der Mehrheitsgesellschaft und zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, miteinander in den Dialog zu treten. Sie beweist viel Gespür für gesellschaftliche Zusammenhänge, die Fülle an Informationen bringt es jedoch mit sich, dass das Buch nicht immer besonders flüssig zu lesen ist. Kapitalismuskritik, feministische Diskurse und LGBTQ+-Themen werden sehr dicht zusammengebracht, was viele Leser überfordern könnte. Ein wenig mehr Struktur hätte dem Text gutgetan.

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