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»Die unwahrscheinliche Süße der Erdbeeren«: Eine Naturgeschichte des Essens

Ob Kaffee, Gewürze, Gemüse oder Fleisch: Alles, was wir heute essen, hat eine Geschichte. Der Biophysiker Bill François bittet zu Tisch – und erzählt sie.

Bill François ist Biophysiker und hat sich mit der Mechanik von Flüssigkeiten und ihrem Einfluss auf biologische Systeme beschäftigt. Mit dem vorliegenden Buch legt er eine Art Geschichte der menschlichen Ernährung vor. Er schildert, wie verschiedene Gemüse, Salat und Obst in ihrer heutigen Form entstanden oder wie Fische und unterschiedliche Fleischsorten für die tägliche Ernährung entdeckt wurden und sich durchsetzten. Dabei spielte sehr oft der Zufall eine Rolle.

Als Gliederung des Buchs dient eine »Speisekarte« mit der kapitelweisen Menüfolge »Vorspeisen«, »Hauptgerichte«, »Dessert« und »Kaffee«. Zu den einzelnen Gerichten vermittelt der Autor auch, wie und warum bestimmte Lebensmittel bis heute verwendet werden und andere nicht. Damit wird schnell klar, dass der deutsche Titel des Buchs irreführend ist – Erdbeeren kommen nur auf sehr wenigen Seiten vor. So ist das französische Original mit »Le plus grand menu du monde. Histoires naturelles dans nos assiettes« (auf Deutsch etwa »Das größte Menü der Welt. Natürliche Geschichten auf unseren Tellern«) weitaus treffender überschrieben.

François beschreibt außerdem, dass exotische Pflanzen aus verschiedenen Erdteilen schon relativ früh nach Paris kamen. So hatte beispielsweise Ludwig XIII. seinen Ärzten ein großes Feld überlassen, auf dem exotische Pflanzen angebaut und untersucht werden sollten. In diesem botanischen Garten lernten nicht nur Biologen, sondern auch die Bevölkerung viel über Pflanzen aus fernen Ländern. Das Buch erzählt zahlreiche Geschichten darüber, wie bestimmte Pflanzen oder Tiere ihren Weg nach Europa und auf unsere Teller fanden. Ein Beispiel dafür ist ein Pistazienbaum, der von dem Botaniker Joseph Pitton de Tournefort aus dem Orient mitgebracht und im Jahr 1701 im Jardin des Plantes von Paris gepflanzt wurde.

Die uns bekannten Rinder verdanken wir laut dem Autor ebenfalls einem Zufall in ihrer Entwicklungsgeschichte. Sie stammen von relativ wenigen Auerochsen aus dem Nahen Osten ab: »Hätte die Menschheit nicht begonnen, Kühe zu züchten, hätte sie vermutlich ein anderes Tier ausgesucht.« François nennt als Alternativen das Wollnashorn oder den Zwergelefanten, die unsere Speisekarte deutlich anders aussehen ließen.

Von Dachsragout und Schweinswalbraten

Im 19. Jahrhundert war es vor allem der englische Chirurg und Naturforscher Frank Buckland, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Hunger der Menschheit zu bekämpfen, indem er das Fleisch verschiedenster Tierarten probierte. Mit Gerichten wie Dachsragout, Schweinswalbraten oder Siebenschläferpastete machte er sich einen Namen als der »Mann, der den Zoo aufaß«, wie der – hier frei übersetzte – Titel eines Buchs über ihn lautet. Sein Urteil über einen kurz zuvor im Zoo gestorbenen Panther lautete: »Besonders lecker war er nicht.« Andere Forscher suchten ebenfalls nach exotischen Lebensmitteln. Ob das besonders unappetitlich ist, ist eine offene Frage; schließlich sind es ja auch Fliegen oder Mehlmilben, die mitunter Milch in Käse verwandeln. So entsteht beispielsweise der »Mimolette« in Nordfrankreich, der als Delikatesse gilt. Genauso fanden Pflanzen oft eher zufällig den Weg auf unsere Speisekarte – etwa bestimmte Getreidesorten, Gewürze wie Pfeffer, Vanille oder Muskatnuss sowie Kaffee- und Kakaobohnen.

Es ist eine Fülle von Fakten, die der Autor in einem angenehmen Plauderton vermittelt. So liest sich der Text flüssig, und der Leser erfährt vieles darüber, wie sich die Ernährung des Menschen über Hunderte von Jahren verändert und entwickelt hat. Der Geschmack des Lesens wird leider dadurch etwas verdorben, dass es kein Stichwortverzeichnis gibt, sodass ein gezieltes Suchen nach bestimmten Themen nicht möglich ist. Und der Verlag macht es sich sehr leicht, wenn er auf Literaturangaben verzichtet und den Leser stattdessen auf das Internet verweist – das ist diesem Buch nicht angemessen. Dennoch ist es insgesamt eine sehr lesenswerte Darstellung eines Themas, das uns alle tagtäglich betrifft.

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