Direkt zum Inhalt

»Die Zukunft unseres Wassers«: Wasser als Menschrecht

Auch wenn ihre Argumentation mitunter differenzierter hätte ausfallen können, liefert Carolin Stüdemann wertvolles Wissen zu Wasser als unserem Lebenselixier.

Die Dürrezeiten der letzten Jahre haben deutlich gemacht, welch wertvolles Gut Wasser ist; und zwar nicht nur in typischen Trockenregionen wie in Afrika, sondern immer mehr auch in Mitteleuropa. Carolin Stüdemann, Wasseraktivistin bei »Viva con Agua de St. Pauli e.V.«, greift in ihrem Buch – unterstützt vom Wissenschaftsjournalisten Rüdiger Braun – drei Fragen auf: »Was kann Wasser?«, »Wo fehlt es?«, »Wem gehört es?«

So erläutert die Autorin die erstaunlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers. Auch wenn man sich an einige von ihnen noch aus dem Schulunterricht erinnern mag, lohnt die Auffrischung dieses Wissens insbesondere mit Blick auf die physiologischen Fakten – etwa die Tatsachen, dass das menschliche Gehirn zu 80 Prozent aus Wasser besteht und der Anteil des Wassers an unseren Knochen immerhin fast ein Viertel beträgt.

Dass sauberes Grundwasser und Trinkwasser zunehmend knapper werden, belegt Stüdemann anhand von Zahlen und Daten. Zwei Fakten aus dem dazu herangezogenen Weltwasserbericht 2023 der Vereinten Nationen sind besonders erschreckend: Über 2,2 Milliarden Menschen hatten zum Zeitpunkt der Datenerhebung keinen zuverlässigen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und zwei Milliarden können sich die Hände zu Hause nicht mit Wasser und Seife waschen. Dabei bestünden riesige Unterschiede in der weltweiten Wasserverteilung, hebt die Autorin hervor. Hier wie auch an anderen Stellen im Buch verweist sie auf die Zusammenhänge von Wasserhaushalt, Klimakrise, Biodiversität und dem Schutz von Ökosystemen. Diese Faktoren seien miteinander verknüpft, und so müssten sie auch alle in mögliche Maßnahmen einbezogen werden.

Blaues Gold: Wasser als Geschäft

Knappheit weckt Begehrlichkeiten. Dass dies auch auf Wasser zutrifft, zeige sich, so die Autorin, etwa in überzogenen Preisen für Mineral- und Tafelwasser. Obwohl »Viva con Agua« selbst Mineralwasser vertreibt – vor allem aber zur Aufklärung und zur Generierung von Geldern für Brunnenbauprojekte –, spricht sie sich klar für frei verfügbares Trinkwasser als Versorgungsgrundlage aus. Welche Folgen die Privatisierung der Wasserversorgung haben kann, erläutert sie anhand des Beispiels Chile. Hier hat die Regierung Konzernen quasi unbeschränkte Wassernutzungsrechte zugesprochen, die diese mit Profit an Unternehmen der Agrarindustrie und andere Abnehmer verkaufen. Die Bevölkerung dagegen gehe zu oft leer aus: Für 47 Prozent der Landbevölkerung sei die Trinkwasserversorgung unregelmäßig, zitiert Stüdemann eine Studie der Universidad de Chile. Mit Blick auf Deutschland erinnert sie an die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Bau des Teslawerks nahe Berlin: Die Firma hatte sich schon im Vorfeld die Rechte zur jährlichen Entnahme von 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser (!) gesichert. Angesichts dieser Belastung sei offen, schreibt Stüdemann, ob der Grundwasserspiegel hoch genug bleibe und Landwirte ihre Felder weiterhin bewirtschaften können.

Der Kampf ums Wasser

Was tun? Wichtig sei es, so Stüdemann, dass die beschlossenen Maßnahmen zum Stopp der Entwaldung endlich auch umgesetzt werden. Außerdem sei der Wasserhaushalt der Landschaften zu schützen, damit dort wieder eine gesunde Balance aus Verdunstung, Versickerung und Abfluss entstehen könne. Es gelte, die Verschmutzung von Oberflächen- und Grundwasser zu stoppen ebenso wie Wasser sorgsamer und effizienter zu nutzen. All diese Forderungen konkretisiert sie mit Hilfe von Beispielen, wobei sie nachhaltig positive Wirkungen von nur kurzzeitig eintretenden unterscheidet.

In der Landwirtschaft seien standortgerechter Anbau und gezielter Humusaufbau sinnvoll, wiederholt Stüdemann eine bekannte Empfehlung. Sie schildert, wie Landwirte angesichts knappen Wassers oft auf Tröpfchenbewässerung setzen. Wo dies möglich ist, entnehmen sie auch gern Flusswasser, um die Felder zu gießen – was aber leicht zum Problem für das jeweilige Ökosystem und die lokale Wasserwirtschaft werden kann. Ein Bio-Landwirt und Winzer aus dem Würzburger Raum, referiert sie einen neuen Ansatz, entnehme dem Main das Wasser im Winter und speichere es für die Verwendung im Sommer; auf die Weinberge könne man es dann nach Bedarf tröpfchenweise ausbringen, unterstützt etwa durch Messungen von Satelliten oder Drohnen. Gleichzeitig dürfe die Politik die Landwirte mit dem Wasserproblem nicht allein lassen, fordert die Autorin. Auch auf das Engagement ihrer Organisation geht die Autorin ein, unter anderem auf Kindertanzprojekte in Afrika, die effektiv zu einem bewussteren Umgang mit der Ressource Wasser beitragen.

Carolin Stüdemanns Buch ist eher Statement denn erläuternder Sachtext. Teilweise fehlt ihm der rote Faden, mitunter vermisst man eine differenziertere Argumentation, etwa bei der Gegenüberstellung von Glas- und Kunststoffflaschen. Die Beschreibung von »Viva con Agua« und dem Weg der Autorin dorthin hätte knapper ausfallen dürfen – auch wenn sie dazu dienen kann, Begeisterung für ein Engagement zu diesem wichtigen Thema zu wecken. In jedem Fall vermittelt dieses Buch eindrücklich, warum die UN 2010 den Zugang zu Wasser zu einem Menschrecht erklärt hat. Wasser ist essenziell fürs Leben – Wasser ist Leben.

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Der Mönch, der unsere Zeitrechnung erfand

Was hat unsere Zeitrechnung mit einem Mönch aus dem Jahr 525 zu tun? In der aktuellen »Woche« erfahren Sie, warum wir heute das Jahr 2025 schreiben – und wie Ostern damit zusammenhängt. Außerdem: Wie gefährlich das Chikungunya-Virus ist und was Vitamin-Infusionen wirklich bringen.

Spektrum Kompakt – Sauberes Wasser

Sauberes Trinkwasser aus dem Hahn – das scheint in Deutschland selbstverständlich. Aber die Ahrtal-Flut und neue Untersuchungen zeigen: Dem ist nicht so. Um der Verschmutzung von Grundwasser und dem Sinken seiner Pegel entgegenzuwirken, braucht es neue Methoden des Managements und der Aufbereitung.

Spektrum der Wissenschaft – Präzision statt Zufall – Genomeditierung revolutioniert Pflanzenzucht

Seit der Mensch Pflanzen anbaut, versucht er auch, Erträge und/oder Widerstandskraft durch Zucht gezielt zu optimieren. Was zunächst als simple Auslese begann, hat sich unter anderem dank der Fortschritte in der Molekularbiologie längst deutlich erweitert. Doch Methoden, bei denen ins Erbgut der Gewächse eingegriffen wird, wecken bei vielen Menschen Bedenken und stellen auch die Gesetzgebung vor Herausforderungen. Wie präzise die neueren Verfahren sind und welche Regelungen derzeit gelten oder diskutiert werden, erfahren Sie in unserem Titelthema. Weitere Themen: Im Notfall kann die Wasserversorgung schnell an ihre Grenzen kommen – eine große Aufgabe für den Katastrophenschutz. Was können Klimaforschende aus historischen Daten zur Weinqualität in Europa über die Vergangenheit lernen, und warum schmeckt alkoholfreier Wein so anders als solcher mit Alkohol? Außerdem gehen wir der Frage nach, was Fischschwärme, Hirnströme und Supraleitung gemeinsam haben und wie Emergenz diese Komplexität erklären könnte.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.