Direkt zum Inhalt

Vergeben oder nicht vergeben?

Warum eine zweite Chance aus philosophischer Sicht nicht immer angebracht ist.

Jemandem eine zweite Chance zu geben, kann eine große Herausforderung sein. Aber es lohnt sich oftmals. Die Philosophieprofessorin Susanne Boshammer sieht das ebenso. So schreibt sie zu Beginn: »Verzeihen ist ein wirkmächtiger Akt der Entlastung.« Ihr Buch ist kein Ratgeber, sondern eine philosophische Diskussion. Beim Lesen wird klar, dass dahinter mehr steckt als die Möglichkeit, Groll zu überwinden.

Zunächst geht es darum, was Verzeihen überhaupt bedeutet. Im Alltag dient es meist als Mittel zum Zweck der Versöhnung, so die Autorin. In der philosophischen Standardauffassung gehe es nicht um Verletzungen aller Art, sondern um moralisches Unrecht.

Nachtragen als Selbstschutz

Nicht jedes Verhalten lässt sich ohne Weiteres verzeihen. Im Nachtragen liegt letztlich die Möglichkeit, ein moralisches Fehlverhalten aufzuzeigen, erklärt die Philosophin. Was als falsch gilt, kann aber von Person zu Person variieren. Wer zu leichtfertig vergibt, verpasst unter Umständen, die Vorstellungen von Recht und Unrecht zwischenmenschlich auszuloten.

Was man vergibt, sagt auch etwas über die Beziehung zu sich selbst aus. Eine zweite Chance zu verwehren, kann sinnvoll sein, wenn es die Selbstachtung gebietet. Das Nichtverzeihen fungiert dann als Selbstschutz oder zur Prävention weiterer Verletzungen.

Boshammer legt die Ansichten einiger Philosophen anschaulich dar, liefert Fallbeispiele und bezieht selbst Stellung. Zentrale Erkenntnisse fasst sie kurz am Ende der Kapitel zusammen. Das Buch ist damit auch etwas für Leser, die bisher wenig mit Philosophie am Hut hatten.

Zwar kommt die Autorin kurz darauf zu sprechen, dass Vergeben heute besonders schwerzufallen scheint. Warum das so ist, darum geht es leider nicht. Das Werk verpasst diese Chance, an Zeitfragen anzuknüpfen. Das könnte ein Grund sein, warum man sich als Leser mitunter wenig persönlich angesprochen fühlt und es stellenweise an Universitätslektüre erinnert.

Kennen Sie schon …

Spektrum Psychologie – Beziehungsunfähig – was heißt das eigentlich?

Gibt es wirklich Menschen, die beziehungsunfähig sind? Dieser Frage widmen wir uns in Ausgabe 4/2025 von »Spektrum Psychologie«. Außerdem erfahren Sie mehr über Selbstsabotage im Beruf, Hirnstimulation als Therapie von Depressionen, Bisexualität und was moderne Männlichkeit ausmacht.

Spektrum Kompakt – Sex matters

Zum Thema Sex und Beziehungen gibt es viele Fragen. Diese Ausgaben beantwortet einige von ihnen: Wie kann eine Beziehung mit großem Altersunterschied funktionieren? Wie verfällt man beim Streiten nicht ins »Ja-Aber«? Und was sollte man Außenstehenden nicht über die eigene Beziehung erzählen?

Spektrum Psychologie – Familie – Wenn der Kontakt abbricht

Familie bedeutet Zusammenhalt – so sagt man. Doch was, wenn der Kontakt abbricht? Wie geht man damit um? Diese und weitere Fragen beleuchten wir in unserer Titelgeschichte. Außerdem: unbewusste Abwehrmechanismen, Stressbewältigung durch Achtsamkeit und das doppelte Empathieproblem bei Autismus.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.