Direkt zum Inhalt

Nimm dich wichtig!

Den eigenen Weg gehen, ohne Selbstzweifel, unabhängig von anderen Menschen und ihren Meinungen – das macht einen eigensinnigen Menschen aus. In ihrem neuen Buch erklärt die Psychologin Ursula Nuber, Chefredakteurin der Zeitschrift "Psychologie Heute", wie sich fehlender Eigensinn auswirken kann – und wie wir ihn erlernen können.

Ohne eine gesunde Portion Eigensinn fühlen sich Menschen ohnmächtig und überfordert, so die Autorin. Sie verleugnen sich selbst, indem sie nicht zeigen, was sie wirklich denken und fühlen. Ob aus übermäßiger Anpassung, um allen gerecht zu werden, oder der Erfahrung, seine eigenen Bedürfnisse stets zurückstellen zu müssen: Am Ende fühlen sie sich von anderen ausgenutzt, können Ärger und Enttäuschungen nicht loswerden, verzichten auf ihre Rechte und geraten in eine negative Spirale der Zurückhaltung in eigener Sache.

Entscheidende frühe Jahre

Doch wie wird man eigensinniger? Und wie setzt man anderen Menschen, ihren Wünschen und Forderungen Grenzen? Um das zu ergründen, nimmt Nuber den Leser mit auf eine Reise in die Kindheit. Dort soll er ergründen, ob er von den Eltern zum Eigensinn ermutigt worden ist. Die Autorin macht deutlich, dass unsere frühen Erfahrungen wesentlich bestimmen, ob wir diese Fähigkeit entwickeln konnten oder nicht. Wurden wir, wenn wir selbstständig etwas getan haben, stets in die Schranken gewiesen und so zu einem braven, angepassten Kind? Oder waren wir ein Trotzkopf, der Fragen stellte und Ärger riskierte, wenn der eigene Wille mit dem der Erwachsenen kollidierte? Dabei geht Nuber auch auf den Wandel der Erziehungsmethoden seit den 1950er Jahren ein.

Anschließend widmet sie sich acht Symptomen fehlenden Eigensinns, zum Beispiel, sich gestresst oder ausgenutzt zu fühlen oder keine Zeit zu haben. Dies koste Betroffene viel Kraft, die ihnen im Alltag fehle. Irgendwann seien sie erschöpft, ausgebrannt, unsicher und ohne Selbstvertrauen, was zu Burnout oder einer Depression führen könne.

Wissenschaftliche Belege für ihre Aussagen bleibt Nuber ihren Lesern zwar schuldig. Für jedes Anzeichen liefert sie jedoch ausführliche Gegenstrategien. So rät sie, eigene Bedürfnisse nicht vorschnell aufzugeben und Forderungen anderer zunächst mit einem "Ich werde darüber nachdenken" zu begegnen.

Jetzt schon so handeln, als ob

Es mag nicht einfach sein, alte Gewohnheiten abzulegen. Doch die Autorin bestärkt den Leser darin, sich selbst wichtig zu nehmen und die Veränderung nicht auf die lange Bank zu schieben. Jeder könne sofort damit anfangen, (ein wenig) eigensinniger zu werden – indem er jetzt schon so handle, als ob er es wäre. Außerdem liefert Nuber viele weitere Tipps und Beispiele, wie man mit kleinen Verhaltensänderungen Großes bewirken kann, etwa indem man klar sagt: "Nein, das möchte ich nicht."

Das populärwissenschaftliche Buch besticht mit seiner Verständlichkeit, gelungenen Verknüpfung von psychologischen Konzepten mit authentischen Schilderungen Betroffener sowie mit hilfreichen Anregungen. Zahlreiche Zitate, Beispiele berühmter Persönlichkeiten und Gedichte bereichern das Werk, auch wenn sie an mancher Stelle angestrengt wirken.

Zuletzt gibt die Autorin ihren Lesern 13 prägnant formulierte Grundrechte des Eigensinns mit auf den Weg – ein gelungener Abschluss. Das erste und vielleicht wichtigste lautet: "Ich habe das Recht, mich auf meine Seite zu stellen, wenn sich jemand mir gegenüber unangemessen verhält." Nubers empfehlenswertes Buch hat das Potenzial, viele Menschen bereits während des Lesens zu entlasten und sie zu motivieren, ihr Leben ganz eigensinnig selbst in die Hand zu nehmen.

Kennen Sie schon …

Spektrum Psychologie – Einsamkeit – Wie wir ihr entkommen

Einsamkeit ist ein stilles, aber weit verbreitetes Phänomen. Unser Titelthema zeigt, wie Sie ihr Schritt für Schritt entkommen können. Außerdem: Tipps für schwierige Gespräche, warum Gen Z Angst vor der Liebe hat, der Auftakt unserer Serie »Dem Glück auf der Spur« und mehr.

Gehirn&Geist – Multiple Persönlichkeit: Was hinter der dissoziativen Identitätsstörung steckt

Manche Menschen scheinen verschiedene Ichs in sich zu tragen, die im Wechsel die Kontrolle über den Körper übernehmen – mit jeweils eigenem Alter, Namen und Geschlecht. Unsere Experten, die zu dissoziativen Phänomenen forschen, stellen die wichtigsten Fakten zur »Multiplen Persönlichkeit« vor. Ergänzend dazu geht die Psychologin Amelie Möhring-Geisler der Frage nach, ob rituelle Gewalt in der Kindheit gezielt Persönlichkeitsspaltungen herbeiführt. In dieser Ausgabe beginnt zudem eine neue Artikelserie zum Thema »Long Covid und ME/CFS«. Im Interview spricht Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité über Ursachen von ME/CFS, den Versorgungsmangel in Deutschland und Hoffnung auf Medikamente. Darüber hinaus berichten wir über das Glücksparadox, das besagt: Je mehr wir dem Glück hinterherjagen, desto weiter entfernt es sich. Wir stellen das Thema psychotherapeutische Patientenverfügung vor, die im psychischen Krisenfall eine große Hilfe sein kann, sowie die noch immer rätselhafte Schmerzerkrankung Fibromyalgie, über deren Ursachen noch viel spekuliert wird.

Spektrum Psychologie – Beziehungsunfähig – was heißt das eigentlich?

Gibt es wirklich Menschen, die beziehungsunfähig sind? Dieser Frage widmen wir uns in Ausgabe 4/2025 von »Spektrum Psychologie«. Außerdem erfahren Sie mehr über Selbstsabotage im Beruf, Hirnstimulation als Therapie von Depressionen, Bisexualität und was moderne Männlichkeit ausmacht.

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.