»Einmal Zukunft und zurück«: Wie sieht die Welt in 50 Jahren aus?
»Wir werden miteinander ungeachtet der Entfernung kommunizieren. Durch Fernsehen und Telefonie werden wir einander so perfekt sehen und hören, als wären wir von Angesicht zu Angesicht.« Als Nikola Tesla vor fast 100 Jahren diese Zukunftsvision zu Papier brachte, erntete er nur Spott. Aus heutiger Sicht ist erstaunlich, wie präzise er 1926 den Videochat voraussagte. Derart zutreffende Prognosen sind jedoch eher selten. Zwar lassen sich bestimmte Ereignisse ziemlich genau berechnen, wie die nächste totale Sonnenfinsternis am 3. September 2081; doch angesichts der Eingriffe des Menschen in alle möglichen Entwicklungen gleichen Vorhersagen für die Zukunft immer öfter einem Blick in die Glaskugel.
Dennoch wagt sich der Journalist und Autor Christoph Drösser in seinem Sachbuch für Grundschulkinder an Zukunftsprognosen – und blickt dafür auch in die Vergangenheit. Dabei leiten ihn große Fragen wie: Was wird in 50 Jahren sein? Wie sieht die Welt dann aus? Welche Erfindungen und Entwicklungen wird es geben? Und – nicht weniger spannend –: Wie haben sich die Menschen vor 50 Jahren das Jahr 2025 vorgestellt? Die umfangreichen Antworten auf diese Fragen hat er in vier Kapiteln gebündelt, die sich den Themen Alltag, Zusammenleben, Technikfantasien und Umwelt widmen. Innerhalb der Kapitel strukturieren weitere Fragen verschiedene Unteraspekte. Ein von Drösser erdachtes »Futurometer« zeigt immer an, wie wahrscheinlich es ist, dass etwas in der Zukunft Realität wird: von Stufe 1 (praktisch unmöglich) bis Stufe 5 (ziemlich sicher).
So ist es sehr wahrscheinlich, dass wir in Zukunft Fleisch aus dem Labor essen oder Roboter entwickeln, die uns bei den Hausaufgaben oder im Haushalt helfen (ChatGPT und Saugroboter: Nehmt das!). Gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass wir langfristig unser Essen aus dem 3-D-Drucker holen – oder viele Probleme der Landwirtschaft mittels »Vertical Farming« gelöst werden. Ganz unwahrscheinlich ist hingegen, dass Maschinen alle Arbeiten übernehmen oder wir unseren Urlaub auf dem Mond verbringen werden. Und dass uns ein »Scotty« aus der Zukunft eines Tages von Ort zu Ort beamen könnte, hält Christoph Drösser für ziemlich unmöglich. Bei der Frage nach einem möglichen Kontakt mit Außerirdischen mutmaßt er dagegen: »Könnte sein!« Bei solch einem Ereignis spricht man von einer »Wild Card«: Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber wenn es eintrifft, wird es schwerwiegende Folgen haben.
Über die Welt von morgen bestimmen die Kinder von heute
Drössers Sprache ist klar und verständlich, die Tonalität mit Blick auf die Zukunft positiv. Fachbegriffe wie »DNA«, »Quantentheorie« oder »Antimaterie« werden im Anhang erklärt. Wer mehr über bestimmte Themen wissen möchte, findet auf den letzten Seiten hilfreiche Links für die eigene Recherche. Damit die junge Leserschaft bei dieser thematisch durchaus anspruchsvollen Zeitreise an Bord bleibt, sorgt der Autor an vielen Stellen für den praktischen Bezug zum Leben der Kinder in der Zukunft: Wie werden sie in 10, 20 oder 50 Jahren spielen, lernen und von A nach B kommen?
Auch die großen Probleme der Gegenwart klammert Drösser nicht aus und blickt auf die mögliche Entwicklung der Klimakrise, unseren Umgang mit Ressourcen und den Kampf gegen den Hunger in der Welt. Die Zukunft werde zwar noch von Menschen im Alter der Eltern seiner Leserinnen und Leser bestimmt, so Drösser, doch in ein paar Jahrzehnten von den heutigen Kindern. Auch wenn niemand wissen kann, ob die Erwachsenen von morgen dann die richtigen Entscheidungen treffen, so ist für sie doch die Lektüre eines klugen und vielschichtigen Sachbuchs schon mal ein guter, sensibilisierender Anfang.
Damit der Spaß und die Unterhaltung nicht zu kurz kommen, sorgt Gareth Ryans mit seinen comicartigen Illustrationen und Grafiken für einen gelungenen visuellen Rahmen: Mal heben seine witzigen Figuren mit Identifikationspotenzial bestimmte Aspekte eines Themas hervor, mal helfen schematische Darstellungen, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen. Besonders eindrucksvoll sind die von Grundschülern inspirierten Zeichnungen mit naivem Strich auf an zerknittertes Papier erinnerndem Hintergrund. Sie zeigen, wie sich Kinder eine bessere Welt vorstellen: mit Roboterhunden, die aus Plastik Papier machen; mit von Pflanzenbenzin angetriebenen Autos und niemals stinkenden Socken.
Was wohl diese visionären Kinder denken, wenn sie in 50 Jahren wieder auf das Buch stoßen und ihre Ideen sowie Drössers Spekulationen einem Realitätscheck unterziehen? Ich könnte mir vorstellen, dass sie seinen Ansatz auch dann noch spannend finden.
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