»Fake History – hartnäckige Mythen aus der Geschichte«: Von wegen Napoleon war klein
Sicher haben Sie schon einmal davon gehört, dass Napoleon Bonaparte besonders klein gewesen sein soll. Diese geschichtliche »Tatsache« ist so populär, dass der umgangssprachliche Napoleonkomplex nach ebenjenem französischen Kaiser des 19. Jahrhunderts benannt ist. Gemeint ist hier ein Minderwertigkeitskomplex kleiner Menschen, durch den diese besonders dominant oder aggressiv auftreten, um ihre mangelnde Körpergröße zu kompensieren. Das klingt alles einleuchtend, nur leider entspricht es nicht der Wahrheit. Die falsche Auffassung hat vermutlich mehrere Ursprünge. Napoleon bekam schon als Offizier den Spitznamen »petit Caporal«, was »kleiner Korporal« bedeutet, aber eigentlich eher eine liebevolle Bezeichnung seiner Offizierskollegen war, die damit Freundschaft ausdrücken wollten. Zudem umgab sich der Korse gerne mit besonders großen Männern. Während das bei Besuchern sicher Eindruck machte, ließ es ihn selbst eher untersetzt erscheinen. Zuletzt hatten auch englische Karikaturisten einen großen Anteil an dem Glauben, der französische Kaiser sei klein. Sie porträtierten ihn regelmäßig als wütenden Giftzwerg. Von der Untersuchung seines Körpers nach seinem Tod wissen wir aber, dass er in etwa 1,67 Meter maß, also kein Riese war, aber für seine Zeit durchschnittlich groß.
Solche vermeintlich historischen Tatsachen halten sich häufig erstaunlich hartnäckig, auch wenn die Fakten Historikern durchaus bekannt sind. Eine solche Historikerin ist Jo Hedwig Teeuwisse. Die Niederländerin, die unter anderem mehrere Dokumentationen und Museumsausstellungen mitkonzipiert und beraten hat und seit 20 Jahren Geschichte lehrt und erforscht, geht im Internet und dort vor allem in sozialen Medien solchen Fake-History-Geschichten auf den Grund. Nun hat sie die interessantesten in einem Buch zusammengefasst, das treffenderweise genau diesen Titel trägt: »Fake History«.
Einstein, Karotten und die bösen Absichten hinter manchen Mythen
In verständlicher Sprache sowie lockerem und humorvollem Stil betreibt Teeuwisse bei 101 vermeintlich historischen Tatsachen »fact checking«. Dabei nimmt sie sich weithin bekannte Geschichten (Einstein sei in der Schule in Mathematik durchgefallen) ebenso vor wie eher obskure Behauptungen – etwa, dass Karotten orangefarben seien, weil die Holländer damit ihren König ehren wollten. Die Geschichten kommen aus den verschiedensten Teilen der Welt und reichen zeitlich vom Mittelalter bis in die Gegenwart. In der Einleitung weist die Autorin darauf hin, dass ihr Buch nicht nur der Unterhaltung dienen soll. »Fake History« könne, wie die spätestens seit der Amtszeit Donald Trumps bekannten »Fake News«, nicht nur lustig oder absurd, sondern – je nach den Beweggründen derer, die sie in die Welt setzen – auch gefährlich sein. So dienten falsche Behauptungen zu geschichtlichen Ereignissen oft der gezielten Verschleierung einer Wahrheit oder der Diskriminierung bestimmter Personen oder Gruppen. Im Nachwort gibt die Autorin schließlich Tipps, wie man selbst dubiose Zitate, Bilder oder Geschichten überprüfen kann. Hierbei gibt sie auch Links zu Websites an, die als verlässlich gelten können und sich zur Prüfung eignen.
»Fake News« ist ein unterhaltsames und gut recherchiertes Buch, das jedem geschichtlich Interessierten zu empfehlen ist. Bei der Fülle an spannenden, absurden und bisweilen nachdenklich machenden Geschichten wäre es sehr verwunderlich, wenn nicht jeder Leser noch etwas Neues lernen und vielleicht die eine oder andere vermeintliche Tatsache für sich richtigstellen könnte.
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