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»Feeding the Machine«: Unsichtbare Arbeit im Zeitalter der KI

Dieses unbequeme Buch macht sichtbar, dass KI-Systeme auf menschlicher Leistung basieren. Und es zeigt, dass sie oft unter fragwürdigen Bedingungen entstehen.

Wenn wir mit einer KI chatten, eine Internetsuche starten oder eine KI-generierte Stimme hören, denken wir selten darüber nach, was diese Technologie ermöglicht. Genauso wenig denken wir beim morgendlichen Kaffee an Plantagenarbeit, Wasserverbrauch und Ausbeutung. Doch wie hinter unserer Tasse Kaffee steckt auch hinter jeder digitalen Interaktion eine globale Wertschöpfungskette, die nicht selten auf Ausbeutung basiert.

James Muldoon, Mark Graham und Callum Cant zeigen diese Missstände auf. Sie haben ein unbequemes, aufrüttelndes Sachbuch verfasst, das sich an alle richtet, die Anwendungen künstlicher Intelligenz nutzen. Die drei Autoren bringen Perspektiven aus Politik, Internetforschung und Arbeitsrecht ein. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die sozialen, politischen und ökologischen Schattenseiten von KI sichtbar zu machen.

In sieben Kapiteln stellen sie sieben exemplarische Figuren vor – von der Datenannotatorin in Uganda über den Techniker im isländischen Rechenzentrum bis zur irischen Sprecherin, deren Stimme ohne ihre Zustimmung für ein Sprachmodell verwendet wurde. Diese persönlichen Geschichten machen deutlich, dass künstliche Intelligenz auf der oft unsichtbaren Arbeit zahlloser Menschen beruht.

Ohne menschliche Arbeit keine KI

Ein zentrales Argument des Buchs lautet: KI ist nicht einfach da, sondern sie wird produziert. Und zwar durch Millionen von Menschen, die Daten labeln, Texte einsprechen, Inhalte prüfen oder in Rechenzentren arbeiten. Viele dieser Tätigkeiten finden in Billiglohnländern statt, unter Bedingungen, die in Europa unvorstellbar wären. Einen möglichen Weg zu einer gerechteren technologischen Zukunft sehen die Autoren in einer transnationalen Organisation von Arbeitskräften.

Die digitale Infrastruktur, die KI-Prozesse ermöglicht – Rechenleistung, Speichermedien und Datenzugang – liegt in den Händen weniger großer Technologiekonzerne. Diese verfügen damit über eine enorme strukturelle Macht. Die Autoren zeigen: KI ist ein Produkt des Kapitalismus und folgt dessen Logik. »Feeding the Machine« beleuchtet dabei auch ökologische Aspekte des Themas wie den enormen Stromverbrauch riesiger Rechenzentren.

Die Fallbeispiele sind gut recherchierte Reportagen und beschreiben den Alltag der vorgestellten Menschen emotional und lebensnah. Dennoch ist die Argumentation stellenweise etwas verallgemeinernd, etwa wenn Probleme der Arbeitswelt, die auch jenseits von KI-Anwendungen bestehen, mit den Folgen der neuen digitalen Entwicklungen vermischt werden.

In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz oft als Allheilmittel gilt, macht das Buch deutlich, dass auch dieser Fortschritt seinen Preis hat. Es geht der Frage auf den Grund, wer diese Maschine eigentlich füttert – und womit. Der Befund der Autoren lautet: KI ist eine Extraktionsmaschine, und wir sind ihr Rohstoff.

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