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Buchkritik zu »Feynmans Regenbogen«

Ein genialer, viel versprechender Jungphysiker namens Leonard Mlodinow bekommt 1981 eine Zweijahresstelle an dem höchstrangigen Forschungsinstitut California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, mit der einzigen Verpflichtung, geniale Theorien zu produzieren. Im Büro nebenan sitzt Murray Gell-Mann, Physiknobelpreisträger von 1969.

Als aber Mlodinow die erwarteten genialen Leistungen nicht erbringt, wird er in ein weniger prominentes Büro versetzt. Von zwei frustrierenden Jahren bleibt als einziger Lichtblick die Begegnung mit dem anderen Büronachbarn Gell-Manns: Richard Feynman (1908 – 1988), Nobelpreisträger von 1965 für grundlegende Arbeiten in der Quantenelektrodynamik, Autor der legen dären "Feynman Lectures in Physics" und zahlreicher populärer Bücher, der noch 1986 als Gutachter zur "Challenger"-Katastrophe Aufsehen erregte. "Some Time with Feynman" ist der Titel der einen von zwei englischen Ausgaben des Buchs, und der trifft den Inhalt besser als "Feynman's Rainbow", den der deutsche Verlag übernommen hat.

Höchst amüsant ist das Werk durch die skurrilen Figuren innerhalb und außerhalb des Caltech. Wer die Szene der Elementarteilchenphysiker kennt, wird den einen oder anderen Kollegen trotz Verfremdung erkennen. Mlodinows besondere Aufmerksamkeit gilt einem jungen Professor, den er wegen der Pflanzenpracht in seinem Büro "Professor Gärtner" nennt und der seine Dauerstelle unmittelbar nach seiner sensationellen Doktorarbeit erhalten hatte – von dem danach aber nichts mehr gekommen ist, das des Caltech würdig gewesen wäre.

Auch Mlodinow selbst hat keine weiteren akademischen Weihen errungen. Um sein Fortkommen müssen wir uns trotzdem nicht sorgen: Er hat sein Talent zu amüsanten, zugleich aber verständlichen und korrekten Beschreibungen physikalischer Sachverhalte als Autor der Fernsehserie "Star Trek" genutzt. Bereits als Insiderbericht eines Außenseiters über eine abgeschlossene Welt besonderer Art ist das Buch lesenswert.

Zudem stellt es im Vorübergehen schwierige Physik verständlich dar. Das Zentrum des Buchs aber bilden die wörtlich wiedergegebenen Dialoge des Autors mit Feynman, in denen sich dieser als überraschend nachdenklich, geradezu weise erweist. Nachdem Feynman festgestellt hat "Eigentlich weiß ich nur, was gut für mich ist" und "Psychologie ist ein Haufen Mist" folgt ein Privatissimum nach dem anderen über Feynmans Psychologie der Forschung, genauer über ihn als Forscher. "Spielen ist ein wichtiger Teil des schöpferischen Prozesses", hört ihn Mlodinow sagen und "Ich habe meinen Platz in der Physik gefunden. Sie ist mein Leben. Mir macht Physik mehr Spaß als alles andere, sonst könnte ich mich nicht damit befassen". Sieht man von der Physik ab, sagt Feynman in den Dialogen immer wieder dasselbe wie Suleika in Goethes "West-östlichem Divan": "Höchstes Glück der Erdenkinder sei nur die Persönlichkeit."

Die Übersetzung ist gut, auch in den physikalischen Teilen. Jedenfalls ist mir nur ein sinnentstellender Schnitzer – ein an falscher Stelle stehendes "nur" auf S. 94 – aufgefallen. Seltsam ist, dass die "Lektürevorschläge" am Ende Feynmans zwei bekannteste Bücher für das allgemeine Publikum nicht erwähnen: "Sie belieben wohl zu scherzen, Mister Feynman" und "Kümmert Sie, was andere Leute denken?" Die Außenwirkung, die er in diesen Büchern erreicht hat, strebte Feynman auch in seinen Dialogen mit Mlodinow an: Er wusste, dass dieser ihre Gespräche auf Tonband aufnahm, um sie in einem Buch zu verwerten.

Insgesamt habe ich die Lektüre in beiden Sprachen sehr genossen. Ich empfehle das Buch wegen des amüsanten und lehrreichen Einblicks, den es in eine Wissenschaftsenklave sowie das Denken des respektlosen und charismatischen großen Physikers Feynman gewährt.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 3/2006

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