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Millionenschwere Wilderei

Der Schwarze Seehecht (Dissostichus eleginoides), ein Vertreter der Antarktisdorsche, lebt in tiefen Gewässern rund um die Antarktis. In Luxusrestaurants wird er als kostbare Delikatesse serviert. Um die Bestände zu schützen, reguliert die "Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis" zwar die Befischung des Tiers. Dennoch fangen Piraten den Schwarzen Seehecht illegal und verdienen damit Millionen. Als "so lukrativ wie Drogenhandel" bezeichnen Eskil Engdal und Kjetil Sæter das Geschäft mit dem Meerestier. Die beiden norwegischen Journalisten reisten monatelang um den Erdball, um den Fischpiraten und deren Drahtziehern auf die Schliche zu kommen.

Die Lektüre vermittelt detaillierte Einblicke in eine der längsten Verfolgungsjagden zur See, die sich je zugetragen hat. Von Dezember 2014 bis April 2015 versuchten Wilderer mit dem Fischtrawler "Thunder", den Aktivisten der Umweltschutzorganisation Sea Shepherd Conservation Society zu entkommen. Die Aktivisten, die oft recht aggressiv auftreten und auf deren schwarzer Flagge ein Totenkopf über Hirtenstab und Dreizack prangt, spürten die von Interpol gesuchten Piraten im Südpolarmeer auf. Da die Umweltschützer auf Anfrage keine offizielle Unterstützung erhielten, um gegen die Wilderer vorzugehen, folgten sie ihnen auf eigene Faust mit ihrem Schiff "Bob Barker" quer durch den Indischen Ozean bis vor die südwestliche Küste Afrikas.

Bluff und Gegenbluff

In etwa der Hälfte der Kapitel schildern die Autoren die 110-tägige Verfolgung. Dabei werden die Leser unter anderem Zeugen einiger Dispute, die die Kapitäne Luis Cataldo auf der "Thunder" und Peter Hammarstedt auf der "Bob Barker" per Funk austragen. Beide versuchen sich gegenseitig zum Aufgeben zu bewegen und die Täuschungsversuche des jeweils anderen zu entlarven. Hat die "Thunder" genügend Vorräte und Treibstoff, um noch monatelang durch die Weltmeere zu schippern? Arbeitet Sea Shepherd tatsächlich mit Interpol zusammen, und droht Cataldo und seiner Mannschaft wirklich die Verhaftung, sobald sie das Festland betreten?

Im Wechsel mit den Abschnitten, welche die Geschehnisse auf den Schiffen beschreiben, erzählen Engdal und Sæter von zeitgleichen Ereignissen unter anderem in nigerianischen Büros, spanischen Kneipen oder im Hauptquartier von Interpol. Gestützt auf akribische Recherche legen die Autoren dar, warum es so schwierig ist, das illegale Fischen in den Weltmeeren in den Griff zu kriegen. Sie zeigen, dass die Wilderer unter anderem von Schlupflöchern in politisch instabilen Staaten, von mangelnder Rechtsprechung für internationale Gewässer und von unzureichender internationaler Zusammenarbeit profitieren. Wenig erstaunt scheinen die Journalisten, als die Spuren der Wilderer sie zu einer der mächtigsten Familie der galizischen Mafia führen.

Um Augenzeugen und Akteure zu interviewen, sind Engdal und Sæter zu verschiedenen Schauplätzen gereist. Auch Informanten, die selbst am organisierten illegalen Fischfang mitwirken, erstatteten ihnen Auskunft – oft nur anonym oder gegen Bezahlung. Mit Sea Shepherd standen die Autoren während und nach der Verfolgung der "Thunder" in telefonischem Kontakt und tauschten zahlreiche E-Mails und Textnachrichten aus. So konnten sie die meisten im Buch beschriebenen Ereignisse aus der Perspektive unsichtbarer Beobachter rekonstruieren.

Sechs auf einen Streich

Die Leser erfahren zudem, wie Sea Sheperd zusammen mit der australischen und neuseeländischen Marine fünf weitere Fischtrawler aufspürte, die alle der gleichen Piratenflotte angehören. Die von den Umweltaktivisten "Bandit 6" genannte Flotte daran zu hindern, illegal Antarktisdorsche zu fischen, war der bisher größter Erfolg der Organisation – so steht es jedenfalls auf ihrer Website.

Das Buch liest sich wie eine Mischung aus Hochseekrimi und Enthüllungsreportage; für Sea Shepherd dürfte es nicht zuletzt ein PR-Segen sein. Die für ihre militanten Aktionen bekannte Umweltschutzorganisation konnte damit demonstrieren, Piraten dank hartnäckiger Präsenz stoppen zu können. Ein Euro pro verkauftem Buch kommt den Meeresaktivisten zugute.

Viele Leser dürften sich allerdings am unsauberen Schreibstil und der stellenweise schlechten Grammatik stören. Der ungewohnte Duktus in der Übersetzung beeinträchtigt den Lesefluss genau so wie falsch gesetzte Kommas, unnötig viele Absätze, ungenaue Bezüge und Wortwiederholungen.

Wer sich für die mafiösen Strukturen illegaler Fischfänger sowie für Sea Shepherd interessiert, landet mit dem Band einen Volltreffer. Wer jedoch ein wissenschaftsnahes Sachbuch erwartet, wird enttäuscht – das Werk ist viel eher ein Wirtschaftsthriller.

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