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Buchkritik zu »Gesteine: Entstehung – Zerstörung – Umbildung«

Geologische Prozesse haben sich zu allen Zeiten der Erdgeschichte in gleicher Weise abgespielt wie in der Gegenwart – das besagt das 1834 von dem schottischen Geologen Charles Lyell (1797-1875) formulierte "Aktualitätsprinzip". Man muss also die heute ablaufenden geologischen Prozesse studieren, um deren wesentliches Produkt, die Gesteine, verstehen zu können. Dieser Leitlinie folgt auch Peter Rothe, Professor für Geologie an der Universität Mannheim, mit dem vorliegenden Buch.

Das erste Kapitel befasst sich mit gesteinsbildenden Mineralen. Ihre systematische Einteilung beruht seit dem 19. Jahrhundert auf chemischen Prinzipien und wurde später durch strukturelle Merkmale ergänzt. Insgesamt gibt es neun Mineralklassen; Gold, Kupfer und Blei gehören in die Gruppe der Elemente, Steinsalz in jene der Halogenide.

Amüsant liest sich aus heutiger Sicht der heftige Meinungsstreit um den Ursprung der Gesteine zwischen Plutonisten ("aus dem Feuer") und Neptunisten ("aus dem Wasser") in den Anfangszeiten systematischer Geologie. Es ist erstaunlich, wie sehr eine starke akademische Lehrerpersönlichkeit, der Plutonist Abraham Gottlob Werner (1749-1817), den Fortschritt einer ganzen Disziplin beeinträchtigen konnte.

Im nächsten Kapitel geht Rothe ausführlich auf die drei großen Gesteinsgruppen ein: Magmatite entstehen aus erstarrter Lava an der Erdoberfläche (Vulkanite) oder in wenigen Kilometern Tiefe (Plutonite), Sedimentgesteine durch Ablagerung verwitterten und erodierten Materials; Metamorphite wie etwa Marmor bilden sich in großen Tiefen bei starkem Druck und hohen Temperaturen. Die knapp hundert Seiten dieses Abschnitts gehen sehr ins Detail. Rothe bespricht verschiedene Klassifikationsschemata: für magmatische Gesteine nach dem Mischungsverhältnis der Bestandteile (das 1967 von Albert Streckeisen aufgestellte "Doppeldreieck"), für Sedimente nach der Korngröße und für Metamorphite nach Druck und Temperatur bei der Gesteinsbildung (das "Winkler-Diagramm"). Zwischen diesen harten Fakten erfährt man Historisches: Am 17. Juni 1989 feierte man in Südtirol die Entdeckung des Dolomits zweihundert Jahre zuvor. Damals war dem in Frankreich geborenen Malteser-Ritter Déodat Guy Sylvain Tancrède de Gratet de Dolomieu (1750-1801) ein dem Kalk ähnliches Gestein aufgefallen, das jedoch mit Säure nicht sofort "brauste".

Besonderes Augenmerk legt Rothe auf den Granit, den bereits Goethe als "merkwürdige Steinart" bezeichnet hat. Nach wie vor bleiben zu seiner Entstehung viele Fragen offen: Ist er nun magmatisch oder sedimentär? Nach neueren Ergebnissen eher Letzteres, wenngleich die starre Schubladeneinteilung beim Granit an ihre Grenzen gerät.

Im abschließenden Kapitel "Geologische Grundlagen der Gesteinsbildung" nimmt Rothe den Leser mit auf eine theoretische Reise zum Mittelpunkt der Erde und erklärt ihm Näheres über die endogene – im Erdinneren stattfindende – Gesteinsbildung. Sobald dagegen Gesteine im Bereich der Erdoberfläche anstehen, unterliegen sie den Prozessen der Verwitterung. Mechanische Zerstörung führt zu klastischen Sedimenten, chemische Teilverwitterung führt zu Tonmineralen, und in den Verwitterungslösungen sammeln sich chemische Elemente, die später wieder in Form evaporitischer Minerale ausgefällt werden können. So entsteht der Erdboden, eine Mischung von Gesteins- und Mineralbruchstücken mit einer mehr oder weniger großen Menge zersetzter organischer Substanz.

Das gesamte Buch ist voll von Grafiken, die auch sehr komplexe Inhalte leicht verständlich machen. Daneben besticht das Werk durch zahlreiche Aufnahmen bizarrer Gesteinslandschaften, wie etwa der Sinterterrassen im Yellowstone-Nationalpark oder der Erdpyramiden am Ritten bei Bozen. Glossar und Register ermöglichen ein schnelles Nachschlagen von Fachbegriffen, und der Inhalt wird in zehn Jahren auch noch aktuell sein.

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