»Gesundheit beginnt im Boden«: Die Wunder zu unseren Füßen
Welchen Einfluss hat die unsichtbare Welt der Mikroben auf uns und unsere Gesundheit? Werden wir stärker von ihnen gesteuert, als uns bewusst und lieb ist? Und was haben Boden, Pflanzen und Tiere damit zu tun? Diesen Fragen geht Ute Scheub, Politikwissenschaftlerin und freie Autorin mit Schwerpunkt Ökologie, gemeinsam mit Stefan Schwarzer, Physischer Geograph und Permakulturdesigner, in »Gesundheit beginnt im Boden« auf den Grund – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Autorenteam hat sich gemeinsam bereits anderen Umweltthemen gewidmet, etwa in »Aufbäumen gegen die Dürre« oder »Die Humusrevolution«.
Zentral für die hier behandelten Fragen ist das Zusammenspiel von Mikroben in Mikrobiomen. Als »Mikroben« bezeichnet man Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilze. »Mikrobiom« ist der Begriff für die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die ein Lebewesen besiedeln. Vor diesem Hintergrund erläutern Scheub und Schwarzer zunächst, »Woraus wir bestehen« und »Wie wir entstanden sind«. Dann behandeln sie die Mikrobiome von Boden, Pflanzen, Tieren und Menschen – und geben dabei immer wieder auch spannende Einblicke in die Welt der Mikroben.
Scheub und Schwarzer zeigen, dass Mikroben überall sind: im Boden wie in Lebewesen. Auch die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Mikrobiomen nehmen sie immer wieder in den Blick. So erfährt der Leser etwas über die negativen Effekte von Antibiotikagaben in der Massentierhaltung, über die Widerstandsfähigkeit unserer Nahrungspflanzen und über den Einfluss von Mikroben auf unsere physische wie psychische Gesundheit.
Von Ökoakustik und einem Cyanobakterium
Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen werden gut veranschaulicht und belegt. Das Autorenduo legt erkennbar großen Wert darauf, dass seine Ausführungen anschaulich und verständlich bleiben. Wichtige Begriffe oder Themengebiete werden in grau unterlegten Kästchen erklärt. Nach einer allgemeinen Einführung in die Welt der Mikroben werden etwa Rekorde, Skurriles und staunenswerte Eigenschaften von Mikroben übersichtlich und unterhaltsam zusammengefasst. Die Kapitel über die verschiedenen Mikrobiome starten immer mit der fiktiven Protagonistin und Biologin Elena Vida, die einen Spaziergang macht und dabei das für ihre Beobachtungen einschlägige Wissen anschaulich aufbereitet. Dann wird der Leser dazu eingeladen, sich einem Thema aus der Sicht zum Beispiel eines Cyanobakteriums zu nähern. Die Texte werden immer wieder durch Experteninterviews aufgelockert. Und in der Mitte des Buchs befinden sich zur Veranschaulichung farbenfrohe Aufnahmen verschiedener Mikroben, die mit einem Rasterelektronenmikroskop erstellt wurden.
Man merkt den Texten die Begeisterung der Autoren für ihr Thema an – die sich auch in vielen praktischen Beispielen niederschlägt. So erklären sie, wie mit Hilfe von Mikroorganismen Böden wieder fruchtbarer werden können; wie sich Pilze nutzen lassen, um Plastik zu zersetzen; oder wie man die Ökoakustik anwenden könnte, um die Biodiversität von Böden zu erfassen. Bei ökoakustischen Untersuchungen werden, vereinfacht gesagt, Mikrofone in den Boden gesteckt – und je vielfältiger die aufgenommenen Töne sind, desto mehr Leben existiert dort.
Manchmal hat man den Eindruck, dass Scheub und Schwarzer in ihrer Begeisterung etwas viel in ihr Buch »packen« wollten. Stellenweise wirkt es dann wie eine Aneinanderreihung von Fakten und Beispielen, die für sich sprechen und überzeugen sollen, dabei aber nicht immer optimal in die Argumentation eingebunden sind. Manche Sachverhalte werden auch zu vereinfacht dargestellt und bedürften eigentlich der Einordnung in einen größeren Zusammenhang. So kann man kritisch hinterfragen, ob eine Bodenbearbeitung per se negativ zu beurteilen ist oder ob der Einsatz effektiver Mikroorganismen in der Landwirtschaft wirklich einen so großen Effekt auf den Boden hat. Allerdings liefern die Autoren dazu gleich am Anfang des Buchs eine gute Aussage: »Alles Wissen der Menschheit ist vorläufig. Auch das, was wir hier wiedergeben.«
»Gesundheit beginnt im Boden« lässt sich einfach lesen, ist kurzweilig und damit für ein breites Publikum geeignet. Das Ziel der Autoren, ihre Leser für die spannende Welt der Mikroben zu begeistern, wird definitiv erreicht. Dennoch werden stellenweise etwas sehr idealistische Lösungen präsentiert, die nicht kritisch eingeordnet werden. Auch die Beispiele wirken teilweise tendenziös und werden damit der komplexeren Studienlage nicht immer gerecht.
Grundsätzlich kann man Scheub und Schwarzer aber beipflichten: Veränderungen im Umgang mit dem Boden sind dringend notwendig. Indem sie die uns oft unbekannten Einflüsse der Mikroben auf unser Leben anschaulich vermitteln, leisten sie dazu einen wichtigen Beitrag.
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