Direkt zum Inhalt

Hausaufgaben zum Glück

Mit zahlreichen Übungen möchte eine Psychologin ihre Leser dazu motivieren, am eigenen Wohlbefinden zu arbeiten.

Schon beim ersten Blick ins Buch machen die zahlreichen Übungsblätter klar: Es ist kein Schmöker, der bereits beim Lesen glücklich macht. Ja, die Theorie vom Glücklichsein ist anschaulich und bildreich beschrieben. Und bereits bei oberflächlicher Lektüre kommt einem sicher schon die eine oder andere Idee, wie das eigene Leben aufzuhübschen wäre. Aber die promovierte Psychologin Melanie Hausler versteht ihr Werk offensichtlich vor allem als Trainingsanleitung. Und so sieht es fast aus wie ein Übungsheft für Fremdsprachenschüler.

Glück als Fähigkeit? Die Idee hat durchaus ihren Charme, legt sie doch nahe, dass sich Wohlbefinden trainieren lässt. Die Autorin verspricht: »Dieses Buch unterstützt Sie bei dem Ziel, ein Leben voller Leichtigkeit und mit einer Vielzahl an Glücksmomenten zu führen.« Dafür bietet sie 30 Glücks­rezepte an. Die Leser(innen) können sie selbst ausprobieren – und jene, die gefallen, dauerhaft übernehmen.

Seitenfüllende Darstellung

Mit stilisierten Kleeblättern sind die Übungen ansprechend hervorgehoben; sie verschwenden mitunter aber auch viel Platz. So fordert Hausler ihre Leser bei Übung 12 explizit auf: »Nehmen Sie ein Blatt Papier oder noch besser ein Büchlein zur Hand und beantworten Sie folgende Fragen schriftlich.« Auf der folgenden Seite sind die Fragen (wie bei allen Übungen) trotzdem noch einmal wiederholt – mit leeren Zeilen dahinter, als solle man sie im Buch ausfüllen. Dabei könnte der Verlag ein digitales Handout zum Herunterladen von seiner Website vorhalten, bei dem die Tabellen dann eben ein paar Zeilen mehr hätten. Denn wer nicht gerade eine extrem kleine Handschrift hat, wird bei Weitem nicht alle Details im Buch unterbringen können.

Darüber hinaus scheint Übung 12 im Wesentlichen eine Variation der allerersten zu sein. Ging es dort um einen positiven Rückblick auf den Tag, sollen die Leser sich hier positive Erlebnisse der letzten Tage und Wochen ins Gedächtnis rufen. Auch andere Glücks­rezepte ähneln sich, denn im Mittelpunkt stehen immer wieder die gleichen fünf Kernthemen: positive Gefühle, eigene Stärken, Stressbewältigung, positive Beziehungen und Sinnerleben.

Manche Tipps sind trivial: sich jeden Tag drei schöne Erlebnisse bewusst machen, autogenes Training zum Stressabbau, achtsames Essen. Interessanter ist dagegen, dass die Autorin auch ein Rezept parat hält, um den viel gesuchten Zustand des Flows häufiger gezielt herbeizuführen. Die vielen Übungen können allerdings wie drückende Hausaufgaben wirken. Und es gibt keinen Lehrer, der sie kontrolliert. Gefährlich kann das werden, sollten sich psychisch instabile Leser(innen) allein auf dieses Buch verlassen wollen. Wo Hausler auf die Selbstverstärkung positiver Erlebnisse hinauswill, besteht auch die Gefahr von Negativspiralen. Grüblerische Typen könnten dazu neigen, sich erst recht selbst die Schuld zu geben, wenn sich sogar mit dieser Anleitung das Glück nicht so recht einstellen will.

Anders, als man es von einer Therapeutin mit eigener Praxis erwarten würde, warnt sie nirgends explizit vor den möglichen Gefahren einer psychologischen Selbstbehandlung und verweist nur selten auf die Möglichkeit, bei Problemen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Spannende Ansätze und Einblicke bietet das Werk dennoch, etwa den, dass negative Gefühle durchaus einen Nutzen haben. Die Lektüre sollte nur nicht dazu verleiten, ernsthafte Probleme allein auf diesem Weg beheben zu wollen. Auch Hausler warnt an einer Stelle: »Wenn wir das Glück erzwingen und um jeden Preis erreichen wollen, macht das unglücklich!«

Kennen Sie schon …

Spektrum Psychologie – Einsamkeit – Wie wir ihr entkommen

Einsamkeit ist ein stilles, aber weit verbreitetes Phänomen. Unser Titelthema zeigt, wie Sie ihr Schritt für Schritt entkommen können. Außerdem: Tipps für schwierige Gespräche, warum Gen Z Angst vor der Liebe hat, der Auftakt unserer Serie »Dem Glück auf der Spur« und mehr.

Spektrum Kompakt – Glück

Was macht uns glücklich: Geld, eine Beziehung oder soziale Kontakte? Glück hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Unter diesen finden sich auch die Antworten darauf, warum Finnland seit Jahren die höchste Lebenszufriedenheit aufweist und warum Jugendliche immer unglücklicher werden.

Gehirn&Geist – Die Kraft der Emotionen: Wie Gefühle die Herzgesundheit beeinflussen

Der Nachbar parkt schon wieder vor der Hofeinfahrt? Die Bahn meldet noch mehr Verspätung als sonst? Gründe zum Aufregen gibt es viele. Die Neurokardiologie untersucht, wie sich diese Emotionen auf die Herzgesundheit auswirken. Erfahren Sie, warum eine positive Lebenseinstellung gut für das Herz-Kreislauf-System ist. Weitere Themen dieses Heftes: Das glymphatische System wäscht Zellmüll aus dem Gehirn, damit könnte es als Ansatzpunkt zur Therapie von Alzheimerdemenz werden, auch wenn noch viele Details unklar sind. Neue KI-Modelle werden immer leistungsstärker und verblüffen mit ihren Fähigkeiten. Ist der Weg zur künstlichen Superintelligenz nur noch eine Frage der Zeit? Außerdem berichten wir über einen kleinen Neuronenverbund im Hirnstamm, der unsere Denkprozesse steuert und ähnlich wie ein Getriebe im Auto funktioniert. Lassen sich darüber Lernen, Kreativität, Konzentration und Wachsamkeit verbessern? Im Brennpunkt »Sexualisierte Gewalt« erläutert Carlo Koos im Interview, warum Überlebende von sexualisierter Gewalt im Krieg oft mit Stigmatisierung zu kämpfen haben.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.