»Heute nicht, ich hab Migräne«: Das Monster zähmen
Ute Woltron schildert ihr nicht immer einfaches Leben mit Migräne. Manchmal drohte die Erkrankung fast, sie zu zerstören. Aber immer eröffneten sich Möglichkeiten, mit ihr umzugehen, und jüngst entwickelte therapeutische Verfahren geben Anlass zur Hoffnung.
Es begann an einem warmen Herbsttag im Jahr 1985 in Wien. Ute Woltron war damals 19 Jahre alt. Urplötzlich hämmerte es in ihrem Kopf. Der Schmerz steigerte sich immer mehr. Ein weißes Pulver aus einer Apotheke konnte zunächst helfen.
Doch so einfach war es im weiteren Verlauf nicht mehr. Die Kopfschmerzen wurden heftiger und kamen immer häufiger. Schließlich litt Ute Woltron monatelang unter an- und abschwellenden Attacken, die einfach nicht aufhören wollten – eine chronische Migräne. Gemäß der »International Headache Society« liegt eine solche vor, wenn die Kopfschmerzen an fünfzehn oder mehr Tagen pro Monat über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten auftreten. Mit gelegentlichen Migräneattacken kann ein Mensch lernen umzugehen, so Woltron. Doch bei chronischer Migräne droht die Welt kalt und düster zu werden.
Woltron quälte sich mit der Frage nach dem Warum, musste aber letztlich feststellen, dass man dieses »Mysterium« bislang wissenschaftlich noch nicht vollständig ergründet hat. Dabei ist die Erkrankung recht häufig: Die chronische Migräne betrifft etwa 1,7 Prozent der Weltbevölkerung – das sind 136 Millionen Menschen. Migräne ist zumindest teilweise genetisch bedingt. Sogenannte Trigger können einen Anfall auslösen. Woltron selbst führte ein Migränetagebuch, um herauszufinden, welche Trigger ihre Migräne verursachten. War es Stress? Schlafmangel? Oder zuckersüßes Essen?
Es gibt Wirkstoffe, die – rechtzeitig eingenommen – den Ausbruch eines Migräneanfalls verhindern können. Einige klassische Medikamente haben sich eher zufällig als wirksam bei Migräne erwiesen und werden mittlerweile häufig zur Prophylaxe eingesetzt – beispielsweise Betablocker, Antiepileptika oder Antidepressiva. Auch CGRP-Antikörper, welche die Aufnahme des Botenstoffs »Calcitonin Gene-Related Peptide« hemmen, können die Häufigkeit der Attacken deutlich senken.
Ist die Migräne ausgebrochen, können Triptane helfen. Drei von ihnen – Sumatriptan, Naratriptan und Almotriptan – sind rezeptfrei erhältlich. Triptane bewirken eine Verengung der Blutgefäße und hemmen eine Entzündungsreaktion im Bereich des Trigeminusnervs. Dies befreit von Kopfschmerzen. Ditane wiederum gehören zu einer neuen Wirkstoffklasse, die – im Unterschied zu Triptanen – auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden können.
Nicht nur Medikamente helfen
Die Methoden, die gegen Migräne wirksam sein können, sind vielfältig. Offenbar gibt es nicht den einen Weg, der immer richtig ist, sondern viele, die hilfreich sein können. Individuelle Unterschiede sind von entscheidender Bedeutung. Dabei sind insbesondere auch Maßnahmen und Faktoren jenseits einer Medikation wichtig, etwa Yoga, Selbstanalyse, Ernährung, Schlaf und Raumluft, aber auch nicht unmittelbar beeinflussbare Umstände wie das Wetter spielen eine Rolle. Woltron rät: Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe, wenn Sie nicht mehr weiterwissen. Die Migräne neigt dazu, ein Eigenleben zu entwickeln, wenn man sie gewähren lässt.
So ist zwischen persönlichen Anekdoten und praktischen Tipps ein ausgezeichnetes Buch entstanden, das Trost spendet und Verständnis bei Nichtbetroffenen weckt. Es ist weder ein reines Medizinbuch noch ein Selbsthilferatgeber, sondern eine gut erzählte Mischung aus Erfahrungsbericht, kleinen Alltagsgeschichten und einem Repertoire an Maßnahmen für alle, die sich mit dem »Migräne-Monster« arrangieren müssen. Es wird deutlich: Migräne ist eine ernsthafte neurologische Erkrankung, nicht bloßer Kopfschmerz. Jede Migräne ist anders – und Betroffene müssen ihren eigenen Weg im Umgang mit ihr finden.
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