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»Homo destructor«: Muss der Mensch seine Umwelt zerstören?

Wir können die aktuellen Krisen nur meistern, wenn wir ihre Genese verstehen. Das belegt Werner Bätzing eindrücklich mit diesem Gang durch die Menschheitsgeschichte.
Brandrodung

Werner Bätzing lehrte bis vor etwa zehn Jahren Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg. In diesem Buch warnt er vor dem »zerstörerischen« Menschen, der seine Umwelt durch Eingriffe in die Natur massiv schädigt. Das Thema Umweltschutz hat in den letzten 50 Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Der Beginn der von Menschen verursachten Veränderungen liegt jedoch wesentlich länger zurück. Der Autor ist der Ansicht, dass wir die jetzige Krise nur bewältigen können, wenn wir uns auch mit der Geschichte beschäftigen und darin einen Ausgangspunkt für einen neuen Umgang mit der Natur finden. In diesem Buch schildert er die Entwicklung der Menschheit. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, wie der Mensch während seines Lebens, von steinzeitlichen Kulturen bis heute, in Natur und Umwelt eingegriffen hat. Dabei werden Erkenntnisse verschiedener Fachgebiete zusammenfassend dargestellt.

Wie Bätzing betont, ist der Mensch nicht von Natur aus ein »Homo destructor«, sondern er wird es aufgrund seiner Lebensbedingungen, die sich im Laufe langer Zeiträume deutlich verändern. Die genetisch-biologische Ausstattung zeigt den Menschen als Generalisten, der an keinen Lebensraum optimal angepasst ist, sondern sich diesen jeweils erst schaffen muss. So werden allmählich fast alle Regionen der Welt bevölkert. Die verschiedenen Phasen dieser Entwicklung werden ausführlich in einzelnen Kapiteln geschildert. Diese vollzieht sich nicht nur auf biologischer Ebene, vielmehr sind es vor allem Umwelteinflüsse, die zur Ausbildung unterschiedlicher Lebensformen beitragen.

Die Veränderung kam mit der Aufklärung

Zu Beginn seiner Evolution lebt der Mensch im Übergangsbereich zwischen dem tropischen Regenwald und der Feuchtsavanne. Und in der Zeit, in der er als Jäger und Sammler unterwegs ist, verändert er die vorgefundene Natur kaum. Dies ändert sich erst mit dem Sesshaftwerden und dem Beginn der Landwirtschaft: Die Natur wird in Kulturlandschaften umgewandelt und genutzt, wobei die Umwelt zunächst kaum zerstört wird. Ähnliches ist beim Entstehen der Städte und Stadtstaaten zu beobachten, deren Bewohner von dem sie umgebenden Land in Hinsicht auf die Versorgung mit Lebensmitteln und Rohstoffen abhängig sind. Grundlegend anders stellt sich das Ganze erst mit der Aufklärung und der systematischen Anwendung naturwissenschaftlicher Forschung dar, die zur industriellen Revolution führen. Hier nehmen die Ausbeutung der Natur und die massive Nutzung fossiler Rohstoffe ihren Anfang. Die wirtschaftlichen Ziele verändern sich: Die Absicht, die materiellen Grundlagen der Selbstversorgung sicherzustellen, wird von der Ausrichtung an einem grenzenlosen Wachstum abgelöst.

Diese Entwicklung verschärft sich im 20.  Jahrhundert durch den Wandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft, der alle Wirtschaftsbereiche und schließlich die gesamte Welt erfasst. Dabei wird das wirtschaftliche Wachstum erstmals zum Selbstzweck und die Natur als beliebig nutzbare Quelle von Energie und Rohstoffen angesehen. Die Menschen verwandeln sich dabei in Konsumenten mit Bedürfnissen, die immer umfangreicher werden und so immer größere ökologische Probleme hervorrufen.

Unser Leben hängt von den physikalischen, chemischen und biologischen Rahmenbedingungen auf der Erde ab. Wie das Artensterben, die Umweltverschmutzung und der Klimawandel illustrieren, werden durch das scheinbar unbegrenzte Wachstum unsere Lebensgrundlagen langfristig zerstört. Nach Ansicht des Autors kann diese Entwicklung nicht dadurch gestoppt werden, dass die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt abgemildert werden oder dass ein kleiner Teil der Erde nicht genutzt und der Natur überlassen wird. Werner Bätzing ist der Überzeugung, dass das grenzenlose Wachstum von Wirtschaft und unseren persönlichen Bedürfnissen begrenzt werden muss. Nur ein ökologisch sinnvoller Umgang mit Natur und Umwelt vermag die verhängnisvollen Entwicklungen aufzuhalten, so der Autor.

Insgesamt hat Bätzing ein umfangreiches, interessantes und wissenschaftlich fundiertes Werk vorgelegt. Im Anhang findet der Leser zusätzliche Anmerkungen und ein ausführliches Literaturverzeichnis, das zum Weiterlesen einlädt. Dem Autor ist es gelungen, viele unterschiedliche Aspekte einer komplexen Thematik so miteinander zu verknüpfen, dass die aktuellen Probleme der Menschheit und ihre Genese verständlich werden.

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