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Preußens Wissenschaftler

Als Martin Heinrich Klaproth (1743-1817), Chemiker an der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, im Jahr 1801 sein Laboratorium betrat, muss er schockiert gewesen sein. Fußböden und Wände waren überzogen von einer dicken schwarzen Masse: Das Ergebnis eines Experiments, in dem der Naturforscher Franz Carl Achard hatte Zucker gewinnen wollen. Klaproth hatte ihm hierfür sein Labor vorübergehend zur Verfügung gestellt. Mit solchen Episoden beschreibt die Wissenschaftshistorikerin und Philosophin Ursula Klein die praktische Arbeit preußischer Wissenschaftler – und welche Höhen und Tiefen sich dabei auftaten.

Während die Franzosen in den 1790er Jahren revolutionär aufbegehrten und überkommene feudalabsolutistische Strukturen abschüttelten, schien Preußen in bürokratischem Korsett und junkerlichem Konservatismus zu verharren. Doch das stimmte nur zum Teil. Denn in dem jungen Königreich dampfte und brodelte es, allerdings nicht so sehr in der Politik, sondern in den wissenschaftlichen Laboren. Dort wurde munter getüftelt, geforscht und experimentiert, durchaus auch unter Einsatz des eigenen Lebens.

Als Humboldt einfuhr

Ein gewisser Bergassessor namens Alexander von Humboldt beispielsweise versuchte Ende des 18. Jahrhunderts, die Arbeitsbedingungen der Bergleute zu verbessern. Er erfand eine Grubenlampe, die er selbst testete. Sein wissenschaftlicher Erfolg dabei hielt sich in Grenzen, nichtsdestoweniger brachte er enorme Begeisterung auf und hatte vor allem großes Glück. Bei einer Grubenfahrt wurde er ohnmächtig und musste von einem anderen Bergmann gerettet werden. Unverdrossen tüftelte er bis zum Ende seiner preußischen Beamtenlaufbahn weiter, um neue Gerätschaften und Konzepte zu entwickeln, die den Bergbau voran bringen sollten.

Humboldt (1769-1859), den wir heute als überragenden Naturforscher kennen, liebte die Praxis. Das stille Lernen in der Studierstube genügte ihm nicht. Diese Einstellung teilte er mit etlichen anderen preußischen Wissenschaftlern seiner Zeit.

Zum Beispiel mit dem bereits erwähnten Klaproth, der in seiner Jugend ein hoffnungsloser Fall zu sein schien. Er flog von der Priesterschule und musste eine Apothekerlehre anfangen. Die Ausbildung war hart, die Arbeit mühselig und manchmal auch erniedrigend. Allerdings eigneten sich Apotheken zu jener Zeit bestens dafür, chemisches Theoriewissen in Experimenten zu erproben. Genau das tat Klaproth, und zwar mit großen Erfolg: Er stieg vom Lehrling zum erfolgreichen Wissenschaftler auf. Eine seiner bedeutendsten Entdeckungen war 1789 die des Urans.

Ungewöhnliche Perspektive

Der Rückblick auf Preußen ist heute oft einseitig und vorurteilsbehaftet. Die Autorin beleuchtet eine wenig beachtete Seite des Staatswesens, die nämlich der neugierig forschenden, experimentierenden und erfindenden Wissenschaftler. Klein beschreibt den Arbeitsalltag, die Begeisterung, die Fortschritte und Erfolge der Forscher ebenso wie deren Rückschläge und Misserfolge. Sie schildert, wie die damalige Begeisterung für Technik und Wissenschaft zu einer verbreiteten Aufbruchsstimmung führte, veraltete Strukturen langsam auflöste und Reformen einleitete.

Einzelne Forschungsgebiete und ihre Entwicklungen stellt die Autorin mit großer Detailgenauigkeit dar. Dabei zeigt sich die Umtriebigkeit preußischer Forscher. Als Leser läuft man zwar zuweilen Gefahr, angesichts der Datenfülle den roten Faden zu verlieren. Dennoch ist es Klein gelungen, ein unterhaltsames, spannendes und lesenswertes Werk zu schaffen – nicht zuletzt dank anekdotenreicher Darstellung einzelner Ereignisse. Zahlreiche Bilder und Quellenangaben bereichern das Buch.

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