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Prachtband mit Ekelmomenten

Schöner und liebevoller als von Kat Menschik und Mark Benecke können weder unsere viel geliebten Begleiter noch Ungeziefer porträtiert werden.

Es ist ein gewichtiger Titel für einen schmalen Band: Unter »Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustrirtes Thierleben« präsentieren die preisgekrönte Illustratorin und der prominente Kriminalbiologe ihre eigene Sicht auf die Tierwelt. Verzeihung, auf die »Thierwelt«: Die Anlehnung an historische Werke brehmscher Art ist gewitzt – und passt. Denn auch die in dem Buch getroffene Auswahl an Comicfiguren bis zu realen Tieren ist höchst subjektiv, dafür aber umso vergnüglicher.

Die Spezies Mensch

Die 17 völlig unterschiedlichen Porträts fügen sich zusammen, weil es im Grunde doch nur um eine Spezies geht: den Menschen mit all seinen Marotten und Empfindlichkeiten. Vielleicht zeigen sich unsere Untiefen tatsächlich nirgends deutlicher als im Umgang mit anderen Tieren, vor allem wenn sie uns für eine nüchterne Betrachtung zu nahe stehen oder wir sie wegen ihrer unerquicklichen Lebensweise in eine Schmuddelecke verfrachten.

Die engste Beziehung pflegen Menschen zu ihrem Hund, der im Buch in der »beschämten« Variante auftritt. Gemeint ist der scheinbar schuldbewusste Blick, den niemand besser beherrscht als der beste Freund des Menschen. Haben die Tiere etwas ausgefressen, lässt sich ihr schlechtes Gewissen angeblich sofort am treuherzigen Augenaufschlag ablesen. Hunde hätten aber gar keinen moralischen Kompass, kontert Benecke. Dafür können sie ihre Herrchen gut genug lesen, um sie bei Bedarf mit dem passenden Ausdruck in eine mildere Stimmung zu versetzen.

Verkannt werden auch Pudel, die laut Benecke »ursprünglich weder Schoß- noch Familientiere waren, sondern Jagdhunde«. Wenig bekannt dürfte sein, dass man die Tiere scheren muss, damit sie ihr dichtes Fell nicht vollständig umhüllt. Der Schnitt ist also nötig, aber welche Frisur soll es sein? Den Pudel schert diese Frage wahrscheinlich wenig, den Menschen dafür umso mehr – mit manchmal lebensbedrohlichen Konsequenzen.

Ein Beispiel liefert Benecke mit Hans Thum, der Mitte der 1930er Jahre den so genannten »Karakul-Schnitt« (den bekannten Pudelschnitt mit buschigem Schwanz, Beinen und Ohren) entwickelte, den viele Züchter und Halter als unschön empfanden. Die nationalsozialistische Fachschaft für Pudel verbot ihn als »undeutsch«. Entsprechend geschorene Tiere galten als Bastarde und bekamen Zuchtverbot, und somit gegen Kriegsende auch keine Futtermittelkarten mehr zugeteilt. Doch damit nicht genug: Es gab sogar einen Antrag, Hans Thum in ein Konzentrationslager zu bringen.

So eng uns manche Tiere sind, so weit weg wünschen wir uns andere. Das an sich unschädliche Silberfischchen gehört dazu, weil es gern in unseren Bädern lebt. Dabei zeigen sich die Tiere meist nur nachts und verstecken sich sofort in der nächsten Ritze, sobald das Licht angeht. Das ist schade, denn so bleibt keine Zeit für einen genaueren Blick auf das Silberfischchen und seinen schimmernden Schuppenpanzer: »Perfekt wie Perlen!«, beschreibt Benecke die Tierchen.

Fast noch schöner sind Rotbeinige Schinkenkäfer: »Sie hatten tiefrote, ins Bräunliche spielende Beine, die sich vom Glitzerblau nebst hauchzartem Grünstich ihrer Körperpanzerung abhoben.« Am Aussehen liegt es also nicht, dass selbst Biologen oft mit Zurückhaltung auf die prachtvollen Tiere reagieren. Es liegt an ihrer Vorliebe für Trockenobst, Käse und – der Name verrät es – Schinken. Besonders problematisch ist, dass der Mensch aus Sicht der Käfer hier keine Ausnahme macht, wodurch sie Benecke berufsbedingt ebenso in Leichen findet.

Wobei sich auch »Haustiere, die Menschen essen«, in der Not mit solcher Nahrung versorgen, wie im gleichnamigen Kapitel zu erfahren ist. Zimperliche Leser brauchen bei der Lektüre also starke Nerven, vor allem wenn Benecke aus dem Nähkästchen plaudert. Dafür gibt es einiges zu lernen, während man gleichzeitig eigene Vorurteile abbauen kann. Mehr vermag ein Buch kaum zu leisten, dessen prachtvolle Ausstattung die gelegentlichen Ekelmomente deutlich wettmacht.

Dies ist Menschiks Verdienst, deren überwiegend knallbunte Illustrationen – vom Oktopus zur Schnirkelschnecke, von der Fledermaus zur Kakerlake, von Mark Benecke bis zu seinen viel geliebten Maden – die Vielfalt der Tierwelt einfangen. Sie heben sich vor dem schwarzen Hintergrund besonders gut ab, auf Cover und Rücken sogar spürbar im Relief. Selbst vor Risiken und Nebenwirkungen der Lektüre wird gewarnt: Auf dem Buchrücken prangt eine Fleischfliege – mit Totenschädel.

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