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Wie sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Eine Verhaltensbiologin beschreibt, was sich Tiere und Pflanzen so mitzuteilen haben – und auf welche Weise sie das tun.

Die Welt ist erfüllt von Kommunikation: Tiere, Pflanzen, Pilze und sogar Bakterien tauschen ständig Informationen miteinander aus. Die Verhaltensbiologin Madlen Ziege stellt in ihrem Buch vielfältige Variationen der Biokommunikation vor. Dem lockeren, unterhaltsamen Schreibstil merkt man an, dass sie Erfahrungen mit Science Slams hat, bei denen sie ihre Forschung schon des Öfteren einem Laienpublikum präsentiert hat. Beim Lesen kommt oft das Gefühl auf, man sei in einem persönlichen Gespräch mit der Autorin. Dabei erzählt Ziege nicht nur über Kuriositäten im Tier- und Pflanzenreich, sondern schafft es auch, biologisches und physikalisches Grundlagenwissen so anschaulich zu vermitteln, dass es beinah zum Partygespräch taugen würde.

Im ersten Teil des Buchs erläutert die Verhaltensbiologin, auf welchen Wegen Informationen ausgetauscht werden. Dabei geht es zunächst darum, wie Lebewesen Informationen senden – etwa mittels Farben, Formen, Bewegungen, Geräuschen und Gerüchen. Im Folgenden liegt der Fokus auf den »Empfangsstationen«, also den Sinnesorganen. Ganz nebenbei kommen hier Phänomene wie elektromagnetische Wellen, die Eigenschaften von Schall oder das Membranpotenzial von Zellen zur Sprache.

Verräterisches Zwitschern

Den weitaus größten Teil des Werks macht der zweite Teil aus. Hier geht Ziege anhand vieler Beispiele darauf ein, wer mit wem Informationen tauscht und warum. Beliebte Kommunikationsthemen sind natürlich die Nahrungs- oder Partnersuche. Und da gesendete Informationen oft nicht nur vom intendierten Empfänger wahrgenommen werden, kann etwa ein Zwitschern, mit dem ein Vogelmännchen ein Weibchen anlocken möchte, auch einer Katze wichtige Hinweise für die Futtersuche geben.

Unter Tieren und Pflanzen sind Täuschungen weit verbreitet. Die Orchideenart Ragwurz (Ophrys apifera) beispielsweise ahmt das Aussehen und den Geruch von Bienenweibchen nach, um Bestäuber anzulocken. Manche Fischmännchen geben in Anwesenheit von Konkurrenten vor, sich für weniger attraktive Weibchen zu interessieren, während sie, sobald sie sich unbeobachtet fühlen, um die attraktivste Dame werben. Pilze wiederum gehen auf die Jagd nach Fadenwürmern, indem sie diese mit Duftstoffen anlocken und dann in Schlingen aus Pilzfäden fangen. Im besten Fall verläuft Kommunikation jedoch zum Vorteil aller Beteiligten. Auch hierzu stellt Ziege viele Beispiele vor – von Pflanzen, die sich bei Schädlingsbefall tierische Hilfe rufen, bis hin zu Erdmännchen, die einander mit unterschiedlichen Warnlauten mitteilen, welche Art Räuber sich aus welcher Richtung nähert.

Deutlich wird hier, wie vielfältig die Kommunikationswege sind. So ließ sich bei einigen Pflanzen nachweisen, dass sie »hören« können und teils selbst akustische Signale senden. Die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) etwa bildet vermehrt Abwehrstoffe gegen Schädlinge, wenn man ihr Geräusche von fressenden Raupen vorspielt. Und Maispflanzen (Zea mays) erzeugen mit ihren Wurzeln Klickgeräusche mit einer Frequenz von 220 Hertz. Das ist genau der Frequenzbereich von Geräuschen, in deren Richtung sich die Pflanzen beim Wachstum orientieren. Die im Klappentext aufgeworfene Frage, warum man mit Tomatenpflanzen sprechen sollte, beantwortet die Autorin allerdings nicht.

Das Thema Kommunikation zieht sich als roter Faden durch den Band, steht aber nicht immer im Mittelpunkt. Die meisten beschriebenen Fallbeispiele reißt Ziege nur kurz an. Wer mehr wissen möchte, kann sich an das ausführliche, nach Kapiteln gegliederte Quellenverzeichnis halten.

Detailliert wird es im dritten Teil. Hier stellt die Autorin die Ergebnisse ihrer eigenen Doktorarbeit vor. Darin hat sie die Kommunikation von Wildkaninchen in der Stadt und auf dem Land untersucht und ist zu einigen überraschenden Ergebnissen gekommen. Obwohl die Kaninchendichte zum Zeitpunkt der Erhebung in der Stadt deutlich höher war als auf dem Land, lebten die städtisch siedelnden Tiere in deutlich kleineren Gruppen zusammen. Bei Kaninchen findet die Kommunikation sowohl innerhalb der Gruppe als auch gegenüber fremden Individuen vor allem durch Kot und Urin in gemeinsamen Latrinen statt. Wie die Autorin anhand der Latrinenverteilung nachweisen konnte, legen Stadtkaninchen deutlich mehr Wert darauf, die Grenzen ihres Reviers zu markieren, während sie sich untereinander nur wenig mitzuteilen haben.

Abschließend versucht Ziege, die im Buch vorgestellten Erkenntnis zur Kommunikation auf die menschliche Verständigung zu übertragen. Das ist zwar unterhaltsam, beschränkt sich aber auf sehr oberflächliche Tipps, die wenig mit dem eigentlichen Buchinhalt zu tun haben. Diese künstliche Erhöhung des Nutzwerts hätte das Werk gar nicht nötig: Wegen des lockeren, unkomplizierten Stils macht das Lesen Spaß, und ganz nebenbei lernt man jede Menge über die Natur, die uns umgibt – von einzelnen Zellen bis zu ganzen Ökosystemen.

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