»Klimagespräche«: Was Klimaforscher wissen und was sie denken
Der menschengemachte Klimawandel und seine Auswirkungen sind mittlerweile allgemein anerkannte Tatsachen. Gleiches gilt für die Dringlichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Es gab und gibt viele Bemühungen, die dazu vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse allgemein verständlich an die Politik und die breite Bevölkerung weiterzugeben, wie etwa durch den Bericht des multilateralen Gremiums IPCC (»Intergovernmental Panel on Climate Change«).
Dennoch spiegeln sich wissenschaftliche Erkenntnisse immer noch nicht ausreichend in politischem und gesellschaftlichem Handeln wider. Hier setzt das vorliegende Buch an, das eine Sammlung von Interviews mit führenden Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftlern präsentiert. Diese wurden von Studierenden verschiedener Fachrichtungen geführt und herausgegeben von Gerrit Lohmann, dem Leiter der Arbeitsgruppe Dynamik des Paläoklimas am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Das Buch gibt einen Einblick in die aktuelle Klimaforschung und stellt die Wissenschaftler mit ihren persönlichen Einschätzungen, Sorgen und Hoffnungen bezüglich der Klimakrise als Menschen vor.
Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Gerrit Lohmann und einer thematischen Einführung durch die Studierenden. Die Interviews sind im Rahmen eines Kollegs der Studienstiftung des deutschen Volkes entstanden. Ziel des Buchs ist es, so die Autoren, zu zeigen, wie einzelne Klimawissenschaftler an Fragestellungen herangehen und welche Lösungen sie finden. Dadurch, dass es neben Fachlichem zum Thema Klima auch die Forscherinnen und Forscher selbst in den Blick nimmt, möchte es inspirieren und Wege in die Klimaforschung aufzeigen. All das wird im Buch tatsächlich gut umgesetzt.
In neun Interviews werden Klimawissenschaftler aus verschiedensten Fachrichtungen befragt. Die Gespräche führten verschiedene Studierende. Sie sind wie einzelne wissenschaftliche Veröffentlichungen gestaltet, können also auch einzeln genutzt werden, etwa als Diskussionsgrundlage für ein Seminar. Die Theorieteile werden meist durch Grafiken zur wissenschaftlichen Arbeit der jeweiligen Interviewpartner veranschaulicht. Am Ende des Buchs gibt es ein Glossar, in dem die wichtigsten Fachbegriffe erläutert werden. Dennoch setzen die Interviews einiges an Fachwissen voraus. So richtet sich das Buch vor allem an Leser mit akademischem und insbesondere naturwissenschaftlichem Hintergrund, bietet aber auch interessierten Laien spannenden Lesestoff – sofern sie bereit sind, sich näher mit der Thematik zu befassen. Aufgebaut ist das Buch wie eine wissenschaftliche Arbeit, sein Layout hätte teilweise etwas schöner gestaltet sein können.
Von Wettervorhersagen und dem Einfluss von Dachbegrünungen
Die Studierenden haben sich bei der Auswahl der Interviewpartner darum bemüht, möglichst viele Lebensrealitäten abzubilden. So wurde neben Wissenschaftlern aus Europa etwa auch eine mexikanische Klimawissenschaftlerin aus dem Bereich Ozeanografie interviewt. Sie versucht, ein regionales Klimamodell für Yucatán aufzubauen, um bessere lokale Wetterprognosen für Mexiko erstellen zu können, da die meisten Klimamodelle eher für den globalen Norden ausgelegt sind. Sie spricht über ihre Herausforderungen als Wissenschaftlerin aus dem globalen Süden und ihren politischen Aktivismus.
Inhaltlich geht es um durchaus komplexe Themen. Dazu gehören Ensemblevorhersagen, die Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Arten von Wettermustern berechnen; sie machen Wettervorhersagen und damit auch die Prognosen möglicher Extremwetterereignisse zuverlässiger. Der Einfluss von Pflanzen auf den Klimawandel – etwa in Form von Dachbegrünungen – wird ebenso beleuchtet wie die Bedeutung des Stadtkörpers für das urbane Klima. Auch die gesellschaftlichen Folgen von Extremwetterereignissen, ausgelöst durch den Klimawandel, werden thematisiert. Neben der Themenvielfalt überzeugt zudem der Blick aufs Persönliche. So vertreten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durchaus unterschiedliche Positionen – etwa bezüglich der Frage, ob man politisch aktiv sein oder wie eine gute wissenschaftliche Zusammenarbeit aussehen sollte.
Spannend ist außerdem, was die Befragten an persönlichen Einschätzungen zum Klimawandel abgeben. Hier erfährt der Leser, was ihnen Angst macht, aber auch, was ihnen Hoffnung gibt. Nicht zuletzt diesen Passagen ist es zu verdanken, dass die Lektüre insgesamt positiv stimmt; selbst wenn einige weltpolitische Ereignisse, die Anlass zur Sorge in Bezug auf den Klimawandel geben, zum Zeitpunkt der Interviews (Winterhalbjahr 2022/2023) noch nicht berücksichtigt werden konnten, etwa der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA 2024. Dennoch bleibt es unerlässlich, sich mit dem Thema Klimawandel zu beschäftigen. Dazu leistet das Buch einen wichtigen Beitrag.
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