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»Kompendium der Chronologie«: Ein Schnellkurs über die Zeit

Der Astronom Hans-Ulrich Keller möchte alle Aspekte des Phänomens Zeit und ihrer Messung in einem Buch versammeln.
Sanduhr

Jedes Jahr findet pünktlich zum zweiten und dritten Tag nach dem dritten Mondviertel im Oktober an den Küsten Samoas ein Naturschauspiel statt: Der Samoa-Palolo, der Meereswurm Eunice viridis, pflanzt sich fort, indem Eier und Spermien ins Wasser entlassen werden und auf der Oberfläche schwimmen. Die Fischer schöpfen die Brühe ab und schätzen sie als Delikatesse.

Wenn wir schon beim Mond sind: Unser Kalender geht auf die ägyptische Einteilung des Jahres in 365 Tage plus alle vier Jahre ein Schalttag zurück. Warum Gaius Julius Cäsar dieses System aus Ägypten mitbrachte, um damit den römischen Kalender zu reformieren, was das mit Mondphasen und was diese wiederum mit dem Fortpflanzungszyklus von Meereswürmern zu tun haben – all das und noch viel mehr kann man in Hans-Ulrich Kellers »Kompendium der Chronologie« nachlesen.

Der Astronom Keller ist Honorarprofessor für Astronomie und Chronologie am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart und bei Sternenfreunden allgemein bekannt, denn er ist der langjährige Herausgeber des Standardjahrbuchs für Hobbyastronomen »Kosmos Himmelsjahr«. Neben der Beschreibung der anstehenden astronomischen Ereignisse enthält »Das Himmelsjahr« noch zwölf Monatsartikel über verschiedenste Themen, von Astrophysik bis zur Geschichte der Astronomie, die trotz ihrer Kürze immer wieder durch ihre Kompaktheit und präzise Sprache beeindrucken. Dafür wurde Keller auch schon mit dem Bruno-H.-Bürgel-Preis ausgezeichnet.

Der großspurige Titel »Kompendium der Chronologie« klingt nach Opus magnum, ist aber »nur« ein gutes, modern und ansprechend gestaltetes, populäres Werk über die vielen Facetten der Zeit und ihrer Messung. Auf gerade mal 250 Seiten drängt Keller ein Panoptikum an Themen – Astronomie, Physik, Uhren und Chronobiologie. Am meisten Raum nimmt das Kapitel Kalendersysteme ein, es ist auch die Stärke des Buches.

Andere Kapitel sind in ihrer Knappheit an der Grenze des Sinnvollen, zum Beispiel beginnt er mit langweiligem Namedropping und listet Denker auf, die irgendwann irgendwas zum Thema Zeit gesagt haben, ohne Zusammenhang oder Kontextualisierung. Die Zeit in der Relativitätstheorie wird auf zwei engen Seiten komprimiert, das relativistische Additionstheorem der Geschwindigkeiten steht ohne Erklärung da.

Der komplizierte Zusammenhang zwischen der über die wackelige Tagesrotation der Erde definierten astronomischen Sekunde und der physikalischen Sekunde der Internationalen Atomzeit wird durch die Lektüre auch nicht unbedingt klarer. Das ist schade, denn das ist kein rein theoretisches Problem, sondern hat ganz praktische Bedeutung. Tatsächlich sind die technischen Probleme für das unregelmäßige Hinzufügen der für die Synchronisation der astronomischen und der physikalischen Zeit notwendigen Schaltsekunde so groß, dass sie im Jahr 2035 auf Betreiben insbesondere des Facebook-Mutterkonzerns Meta abgeschafft wird.

Man kann sich fragen, wer das Zielpublikum des Buches sein soll. Wahrscheinlich sind es, wie auch beim »Himmelsjahr«, Hobbyastronomen oder allgemein wissenschaftlich Interessierte jeden Alters. Diesen sei das insgesamt schöne Buch empfohlen.

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