»Kosmische Alchemie der Elemente«: Das Universum als Hexenkessel
Gemeinhin bezeichnet »Alchemie« den Vorläufer der heutigen Chemie. Meist wird sie mit seltsamen Versuchen assoziiert wie denen, unedle Stoffe in Gold zu verwandeln. Selbst Newton war Anhänger dieser obskuren Praktiken. Hat dieses Buch also einen pseudowissenschaftlichen Charakter? Zum Glück nicht!
Karlheinz Langanke ist ein anerkannter Experte der Kern- und Astrophysik. Er arbeitete unter anderem am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und ist Ehrenmitglied der European Physical Society. Abgesehen von den »Einleitenden Gedanken«, in denen es um Schöpfungsmythen und die Bedeutung naturwissenschaftlicher Methoden geht, folgen die Kapitel seines Buchs einer objektbezogenen Ordnung. Auf den Spuren von Hoimar von Ditfurth startet der Autor mit »Am Anfang war der Wasserstoff«. Hier geht es um die Entstehung und Entwicklung des Universums. Diskutiert werden Urknall, Hubble-Gesetz, Hintergrundstrahlung, Nukleosynthese, Dunkle Materie/Energie und Inflation. Auf Formeln wie etwa die Friedmann-Gleichung wird dabei nicht verzichtet. In Kapitel 3 geht es um die Entwicklung und Verteilung von Galaxien sowie um die Entstehung von Sternen. Es folgen längere Kapitel über die Sternentwicklung und »Das Sterben der Sterne«, hier werden Supernovae, Neutronensterne und Schwarze Löcher behandelt.
Der Titel von Kapitel 6, »Die Wiedergeburt«, lässt vermuten, damit sei der kosmische Zyklus gemeint, in dem aus Sternenstaub wieder neue Sterne und Planeten entstehen. Das ist nicht der Fall, tatsächlich werden hier Novae und erneut Supernovae behandelt. Das Thema wird in »Die Faszination des Goldes« weitergeführt, wo es um die Entstehung schwerer Elemente geht. Insbesondere soll Gold aus der Verschmelzung von Neutronensternen stammen – vielleicht ist damit die »Alchemie« im Buchtitel zu erklären. Ein solches Ereignis wurde erstmals im August 2017 beobachtet, wobei Gravitationswellen eine fundamentale Rolle spielen. Die Elementbildung ist erneut Gegenstand in Kapitel 8 »Die Milchstraße – Hexenkessel der Elemente«. Hier erfährt man schließlich etwas über den kosmischen Zyklus.
Im letzten Kapitel geht es um »Die nächsten 14 Milliarden Jahre und danach«. Behandelt werden die Verschmelzung von Milchstraße und Andromedagalaxie sowie »Das Zeitalter der entarteten Sterne« wie auch der Protonenzerfall (in circa 1036 Jahren) und das Verdampfen Schwarzer Löcher (in etwa 1066 Jahren). Langanke beschließt das Kapitel mit einem »Haftungsausschluss«, wenn er schreibt: »Eines ist sicher, falls sich zum Beispiel der Zerfall der Protonen nicht ereignet oder er andere Effekte auf das Universum hat, als wir hier skizziert haben: Es wird uns niemand mehr wegen einer falschen Vorhersage regresspflichtig machen können.«
Fachlich in Ordnung, aber Mängel bei der Gestaltung
Nur gelegentlich tauchen Fehler auf wie etwas »Proxima Centaurus« (statt »Centauri«) in Abb. 9.1. Auch ist die Bezeichnung »ESO1532a« des Planetarischen Nebels in Abb. 5.4 falsch, es handelt sich um ESO 378-1 (der Autor hat hier irrtümlich die ESO-Bildnummer verwendet). In Tab. 5.2 ist »Canis Major« als Supernova-Kandidat aufgeführt. Hier handelt es sich um den Roten Überriesen VY Canis Majoris. Bei »V809 Cassiopeia« muss es »Cassiopeiae« heißen. In Abb. 8.8 lesen wir: »Die Galaxie NGC 3521 kann man von oben sehen«. Dann wäre die Inklination 0°, sie beträgt aber 72°; man sieht das Objekt also schräg von der Seite (wie den Andromedanebel).
Das als Paperback erschienene Buch umfasst 536 Seiten. Es enthält viele Schwarz-Weiß- und Farbabbildungen, deren Qualität leider oft mäßig ist. Manche Grafiken sind stark vergrößert, manche zu klein, gelegentlich passt der Rahmen nicht. Viele sind im englischen Original belassen (in der besonders unscharfen Abb. 1.4 steht noch »Fig. 1«). Der Text enthält auch einige Tabellen. Insgesamt wirken Druck und Layout handgemacht, scheinen direkt aus der Textverarbeitungssoftware zu stammen. Angesichts dessen erscheint der aufgerufene Preis relativ hoch. Die Quellen sind im Anhang angegeben, ebenfalls am Ende findet man Literaturhinweise und ein Stichwortverzeichnis.
Letztlich ist Langankes Werk ein Lehrbuch der modernen Astrophysik mit ihren Theorien, Beobachtungen und Instrumenten. Sein roter Faden ist die Entstehung der Elemente, wie es der Titel auch anzeigt. Trotzdem gewinnt man den Eindruck, dass es etwas zusammengewürfelt zugeht. Ich hätte mir bei der inhaltlichen Darstellung mehr Homogenität und weniger Redundanz gewünscht. Fachlich ist allerdings nichts auszusetzen. Obwohl der Inhalt zuweilen recht anspruchsvoll ist, sind Sprache und Verständlichkeit gut. Bei den Abbildungen hätte man sich aber mehr Mühe geben müssen.
Das Buch ist allen zu empfehlen, die eine ausführliche Darstellung zur Entstehung der chemischen Elemente im Kosmos suchen. Auf Alchemie kann man dabei aber gut und gerne verzichten.

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