»Krebs – Das Ende einer Angst«: Hoffnung jenseits von »Wundern«
Krebs ist allgegenwärtig. Die meisten von uns kennen zumindest Betroffene, und auch in den Medien ist Krebs omnipräsent. Die Molekularbiologin Hanna Heikenwälder bringt Klarheit in die aktuellen Erkenntnisse zu Krebserkrankungen. Sie zeigt dabei auch, wie kleine Veränderungen in der Lebensweise die Entstehung von Krebs unwahrscheinlicher machen können.
Gleich zu Beginn ihres Buchs führt sie aus, dass ein Großteil der Krebsfälle vermeidbar wäre, wenn das verfügbare Wissen über ihre Entstehung und daraus resultierende Präventionsmaßnahmen konsequent zur Anwendung kämen. Gleichzeitig hält sie fest, dass Krebs Teil unserer Biologie sei und sich die Prozesse, durch die Krebs entsteht, prinzipiell in jedem von uns abspielen. Sie erklärt diese Entstehungsmechanismen gekonnt auf molekularer Ebene und folgert daraus, dass es nie gelingen werde, jede Form von Krebs zu eliminieren. Gleichzeitig ist es aus ihrer Sicht durchaus ein realistisches Ziel, dass niemand mehr durch Krebs Qualen erleiden oder an ihm sterben muss.
Nach einer Einleitung gliedert sich das Buch in drei Teile. Im ersten Teil vermittelt die Autorin den aktuellen Forschungsstand dazu, was Krebs ist und wie er entsteht. Vor allem das Altern ist in diesem Kontext wichtig. Denn nicht nur beim Menschen ist Krebs die wichtigste lebenslimitierende Erkrankung, sondern auch bei den meisten Tierarten. Dabei spielt das sogenannte Inflammaging eine große Rolle: das Schwächerwerden des Immunsystems im Alter. Problematisch sei dabei weniger die schlechtere Abwehr von Krankheitserregern, sondern die lückenhafte Überwachung des Körpers bezüglich veränderter, mutierter Zellen. Mutationen sind notwendig für die Entstehung von Krebs, allerdings nicht sein alleiniger Auslöser. Erst eine krebsfördernde Umgebung – also bestimmte Lebensbedingungen oder Umweltfaktoren – führen dazu, dass die entarteten Zellen einen Überlebensvorteil haben und sich vermehren können. Eine der beruhigenden Nachrichten des Buchs ist, dass nur die wenigsten der mutierten Zellen es wirklich schaffen, den körpereigenen Sicherheitsnetzen zu entwischen – solange diese Schutzmechanismen nicht durch eine ungünstige Lebensweise und äußere Einflüsse geschwächt werden.
Keine »Wundermittel«, aber Handlungsmöglichkeiten
Im zweiten Teil des Buchs geht es darum, wie sich Krebserkrankungen verhindern oder sich ihre Verläufe verlangsamen lassen und welche Faktoren in der Lebensweise die Entstehung von Krebs begünstigen. Wer hier auf einfache Lösungen im Kampf gegen den Krebs und das Altern hofft, wird enttäuscht. Selbst potenzielle »Wundermittel« wie Rapamycin oder das Diabetesmedikament Metformin, die immer wieder als Anti-Aging-Medikamente gehandelt werden, entfalten in den wenigen bisherigen Studien nur dann eine positive Wirkung gegen den Krebs, wenn sie in Verbindung mit einer gesunden Lebensweise angewendet werden. Das bedeutet: Wir kommen nicht daran vorbei, auf unsere Ernährung und ausreichend Bewegung zu achten.
So ist Kalorienrestriktion die einzige wissenschaftlich nachgewiesene Maßnahme, um die Lebensspanne zu verlängern. Damit ist allerdings nicht allein das klassische Abnehmen gemeint, das sich nur auf einen begrenzten Zeitraum bezieht, sondern die permanente Reduktion der zugeführten Kalorienmenge. Doch auch die Gewichtsreduktion durch Abnehmen habe eine positive Auswirkung auf das Krebsrisiko. Denn Übergewicht sei in vielerlei Hinsicht ein Krebsförderer. Einerseits arbeite das Immunsystem Übergewichtiger weniger effizient, andererseits blockiere eine dauerhafte Überernährung zusätzlich körpereigene »Aufräummechanismen« wie die Autophagie. Heikenwälder vergleicht das mit einem überfüllten Kleiderschrank, in dem man schließlich irgendwann auch nichts mehr finde und sich zudem allerlei Unnützes ansammele. Aber auch durch Stress und Schlafmangel erhöhe sich unser Krebsrisiko: Während Stress die Entzündungsfaktoren im Körper vermehre, gebe ausreichender Schlaf dem Körper die Zeit, diese wieder abzubauen.
Im abschließenden, dritten Teil geht es dann um die »Gretchenfrage«: Wie kann Krebs besiegt werden? Hier widmet sich die Autorin vor allem der Früherkennung und der personalisierten Medizin. Gleichzeitig geht sie auch auf die Wirkungsweise von Immuntherapien ein, die im Gegensatz zu den bisher meist eingesetzten Therapien nicht alle im Körper schnell wachsenden Zellen töten, sondern spezifisch gegen Krebszellen gerichtet ist. Auch in der Diagnostik gebe es enorme Fortschritte. So könnten bestimmte Brustkrebsmarker in der Tränenflüssigkeit festgestellt werden.
Wichtige Erkenntnisse wie diese werden am Ende jedes Kapitels kurz zusammengefasst. In den letzten beiden Teilen kommen dann als weiterer Service Tipps hinzu sowie Fragen an den Leser, so dass er sich mit seiner persönlichen Krebsprävention und -erkennung auseinandersetzen kann. Bei ihren Ausführungen und Empfehlungen zur Lebensweise kommt Heikenwälder ohne erhobenen Zeigefinger aus; sie formuliert sie rein sachlich und auch nicht ohne Selbstkritik. So zeigt ihr Buch, wie sich jeder selbst der Angst vor der »Volkskrankheit Krebs« entgegenstellen und versuchen kann, ihr durch sein Verhalten entgegenzuwirken.
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