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Ehe verbessern und Kleiderschrank sortieren

Erfolgsautor Christian Hesse zeigt viele – und nicht immer ganz ernst gemeinte – Möglichkeiten auf, mit Mathematik das tägliche Leben zu bewältigen.

Christian Hesse, Professor für Mathematische Statistik an der Universität Stuttgart, ist ein umtriebiger Buchautor und bei »Spektrum der Wissenschaft« schon mehrfach rezensiert worden. In den zurückliegenden Jahren erschienen von ihm unter anderem die unterhaltsamen Bände »Mathe to go« (2017, Rezension hier), »Math up your Life« (2016, Rezension hier) und »Wer falsch rechnet, den bestraft das Leben« (2014, Rezension hier).

Hesses Büchern liegt im Prinzip das immer gleiche Erfolgsrezept zu Grunde, nämlich eine Mischung aus drei Komponenten: einer interessanten Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse, einer anschaulichen Erläuterung mathematischer Methoden und einer Sammlung skurriler Zeitungsmeldungen und unterhaltsamer Anekdoten. Der Titel des neuen Bands ist einmal mehr so gewählt, dass er neugierig macht. Der Verlag wirbt damit, dass die Ratschläge in dem Buch dazu beitragen könnten, glücklich zu werden. So nimmt es nicht wunder, dass mancher Versandhändler das Werk nicht unter »Mathematik«, sondern in den Rubriken »Psychologischer Ratgeber/Selbstwertgefühl« und »Job&Karriere/Motivation« führt.

Nur keine Leser erschrecken

Die 31 Geschichten des Bands sind – wie von Hesse gewohnt – unabhängig voneinander lesbar, auch wenn es sinnvoll erscheint, die vom Autor gewählte Reihenfolge beizubehalten. Das übersichtliche Inhaltsverzeichnis erklärt für jede der Geschichten, was es den Lesern bringt, sich damit zu beschäftigen. Hesses Schreibstil ist bekanntermaßen auf ein breites Publikum eingestellt und die Ausführungen somit gut verständlich. Sachverhalte, die Laien erfahrungsgemäß kompliziert erscheinen, etwa bedingte Wahrscheinlichkeiten im Zusammenhang mit medizinischen Tests, erklärt der Autor anschaulich mit geeigneten Zahlenbeispielen. Sonst findet man nur wenige Ausführungen zum jeweiligen mathematischen Hintergrund. Auch fehlen Grafiken, die so manchen Sachverhalt noch besser verdeutlicht hätten – vermutlich, weil man befürchtete, damit Leser mit einer Mathe-Phobie zu erschrecken.

Wer sich schon länger für die Anwendung von Mathematik im Alltag interessiert, wird auf etliche bekannte Themen stoßen, beispielsweise die Entlarvung gefälschter Zahlen in der Steuererklärung mit Hilfe des benfordschen Gesetzes. Natürlich fehlt auch der berühmte Hund nicht, der das ins Meer geworfene Stöckchen stets längs eines optimalen Streckenzugs zurückholt – auch ohne die Differenzialrechnung zu kennen, die Menschen zu dessen Berechnung benötigen. Dennoch erfahren geneigte Leser manches Neue. Originell sind beispielsweise die Methoden, die Hesse vorschlägt, um Ordnung in den überfüllten Kleiderschrank zu bekommen. Er wendet hier die denkbaren (Aus-)Sortieralgorithmen der Informatik an: Nach dem Kauf eines neuen Hemds beispielsweise kann man entweder dasjenige ausmustern, das man am längsten nicht mehr angezogen hat (FIFO-Verfahren, von »first in first out«); oder jenes, das man in der Vergangenheit am seltensten benutzte; oder auch dasjenige, das man voraussichtlich von allen als letztes wieder benötigen wird.

Hesse macht seinem Ruf alle Ehre, skurrile Zeitungsmeldungen zu präsentieren. In der ersten Geschichte etwa, die sich mit gelingender Partnerschaft beschäftigt, berichtet er von einer Verwechslung zweier Bräute bei einer Doppeltrauung im arabischen Jeddah. Die irrtümlich geschlossenen Ehen, die daraus hervorgingen, konnten aber nach islamischen Recht nicht so einfach wieder aufgelöst werden. Einige Monate später meldeten die vier Vermählten, sie seien mit dem unerwartet zugeteilten Ehepartner zufriedener gewesen als mit dem ursprünglich vorgesehenen.

Am Ende des Buchs folgt eine alphabetisch geordnete Liste mit Hinweisen auf die (wissenschaftliche) Literatur, die den hesseschen Ratschlägen zu Grunde liegt. Die typischen Leser werden leider wohl nur in wenigen Fällen auf diese Quellen Zugriff haben. Zudem ist den Quellenangaben nicht anzusehen, welchen Bezug sie zu den Geschichten im vorderen Buchteil haben. Es macht unnötig viel Mühe, dies im Einzelfall herauszufinden, was ärgerlich ist, denn dies hätte sich mit Fußnoten leicht vermeiden lassen. Vor allem dieser Punkt dürfte wissenschaftlich interessierten Leser missfallen – trotz insgesamt unterhaltsamer Lektüre.

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