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»Lichtquanten«: Für ein tieferes Verständnis der Quantenphysik

Klaus Hentschels Studie zu Lichtquanten überzeugt. Sie ist gründlich recherchiert und macht den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess nachvollziehbar.
Wellenlinien aus Lichtquanten

Der Physiker Klaus Hentschel ist Lehrstuhlinhaber für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik an der Universität Stuttgart. Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter eines über Interpretationen der Relativitätstheorie, und gewann einige bedeutende Preise. Seine Texte sind anspruchsvoll und gehen über den Informationsgehalt populärer Darstellungen deutlich hinaus.

Das handliche Paperback umfasst 488 Seiten, Druck und Layout sind makellos. Die meisten der 40 Abbildungen sind in Schwarz-Weiß. Im Text finden sich einige Formeln. In sechs Kästen gibt es Erläuterungen zu speziellen Themen. Ferner enthält das Buch sechs Tabellen sowie etliche Fußnoten. Beeindruckend ist das fast 60-seitige Literaturverzeichnis, gefolgt von einem ausführlichen Namens- und Sachverzeichnis.

Hentschel hat eine anspruchsvolle Studie vorgelegt, die sich durch Vollständigkeit und Präzision auszeichnet. Dahinter steckt eine aufwendige Recherche – sie hat sich gelohnt. Das Buch beleuchtet historische und philosophische Aspekte des Themas, dabei erfährt der Leser viel über Quantenphysik. Manches Missverständnis wird ausgeräumt. Der Autor vermittelt Physik nicht wie in einem trockenen Lehrbuch mit ergebnisorientierter Darstellung. Wissenschaft ist bekanntlich auch keine logische Folge von Erkenntnissen, selbst große Physiker sind erst durch Irrungen und Wirrungen mühsam zum Erfolg gekommen. Dies nachzuvollziehen, schafft ein deutlich tieferes Verständnis. Dem Autor gelingt diese Art der Darstellung hervorragend.

Von Photonen und dem »mentalen Modell«

Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel. In der Einführung erläutert Hentschel seine Methodik und definiert grundlegende Begriffe wie etwa das »mentale Modell«. Das folgende Kapitel stellt die entscheidenden Arbeiten von Planck und Einstein zur Strahlungsformel (1900) beziehungsweise zum Photoeffekt (1905) vor. Sie zeigen die Notwendigkeit von Energieportionen bei atomaren Prozessen, wobei Planck vor seiner revolutionären Tat, der Einführung des Wirkungsquantums, zunächst zurückschreckte. Hentschel analysiert auch Herkunft und Verwendung des Begriffs »Photon«. Das dritte Kapitel bildet die inhaltliche Grundlage der Studie in Form von »Zwölf Bedeutungsebenen von Lichtquanten«. Sie umfassen unter anderem Teilchenmodell, Lichtgeschwindigkeit, Energie, Impuls, Spin, Welle-Teilchen-Dualismus, Bose-Einstein-Statistik und Quantenelektrodynamik. Die historische Entwicklung wird im nächsten Kapitel anhand bedeutender Protagonisten wie Newton, Einstein, Planck, Bohr, Sommerfeld und Schrödinger vorgestellt (Huygens und Young fehlen). Anschließend werden die verschiedenen Vorstellungen zu Lichtquanten diskutiert. Richtungsweisend war der Compton-Effekt, die Streuung hochenergetischer Photonen an Elektronen. Auch die Darstellung des Themas in klassischen Lehrbüchern wie den »Feynman Lectures« wird untersucht.

Das folgende Kapitel »Allgemeine Theorien der Begriffsbildung« beschreibt recht formal die konzeptionellen Grundlagen der Studie. Es geht um Ontologie, Metaphysik und mentale Modelle. Anschließend behandelt »Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945« ausführlich die neueren Entwicklungen. Im letzten Kapitel beantwortet Hentschel die Frage: »Wie muss unser heutiges Modell des Photons aussehen?«. Nach Jahren der Verwirrung darüber, was Photonen eigentlich sind, haben Quantenelektrodynamik (in theoretischer Form) und Quantenoptik (in experimenteller Form) endlich Klarheit gebracht. Leider besteht sie darin, dass Quanten als Anregungen eines universellen Feldes weder Teilchen noch Wellen sind – solange wir sie nicht beobachten. Ihre bizarren Eigenschaften – wie etwa Nicht-Lokalität oder Verschränkung – wurden präzise nachgewiesen. Einstein hat sich zeitlebens für die Realität der Quanten ausgesprochen, ist damit aber gescheitert.

Das Buch bietet anspruchsvolle Kost auf sprachlich hohem Niveau. Der Autor spart nicht mit Fremdwörtern, liefert aber auch auch amüsante Wortschöpfungen wie »Vorläuferitis«. Es finden sich nur wenige (genau zwölf) redaktionelle Fehler, die das überaus positive Gesamtbild natürlich nicht beeinflussen. Klaus Hentschel hat eine profunde wissenschaftshistorische Studie zum Thema »Lichtquanten« abgeliefert. Das Buch ist sehr zu empfehlen, verlangt aber vom Leser ein hinreichendes physikalisches und philosophisches Grundwissen sowie eine Menge Aufmerksamkeit.

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