»Life in Space«: Astrobiologie für alle
Die Möglichkeit von Leben auf anderen Planeten gehört zu den faszinierendsten Fragen von Astronomie und Astrophysik – sie begeistern Menschen für diese Wissensgebiete. Besonders im englischen Sprachraum hat man schon lange erkannt, dass sich das Thema hervorragend eignet, um Studierende mit fachlichem Anspruch an interdisziplinäres Denken heranzuführen und auch Hörern anderer Fakultäten die Grundlagen von Astrophysik, Geophysik und Biologie zu vermitteln. Auch in Deutschland ist das Fach Astrobiologie mancherorts in der Lehre angekommen. Mit »Life in Space: Astrobiology for Nonscientists« legen Amri Wandel und Joseph Gale einen neuen, englischsprachigen Grundkurs für Astrobiologie im Rahmen eines studium generale vor.
Der Astrophysiker Wandel und der Biologe Gale bauen in ihrem Buch auf ihrer umfangreichen Lehrerfahrung auf. Entsprechend gelingt ihnen eine ausgewogene Stoffauswahl, die im Rahmen eines Einführungskurses für Nicht-Naturwissenschaftler gut zu bewältigen ist und dennoch hinreichend in die Breite geht.
Im ersten Teil bieten Wandel und Gale dem Leser zunächst einen knappen Abriss der Astronomiegeschichte, eine Einführung in Grundbegriffe und Maßeinheiten, einen Überblick über astronomische Objekte sowie die Strukturen von Planeten und Monden – bis hin zu Galaxien. Auch auf das Problem der Definition von »Leben« und dessen physikalisch-chemischer Voraussetzungen, insbesondere die von flüssigem Wasser als Lösungsmittel, gehen sie ein. Dazu kommt ein kurzes, vielleicht etwas holzschnittartiges Kapitel zur Methodik der modernen Naturwissenschaften und der Bedeutung von quantitativen Messungen und statistischen Verfahren.
Der zweite Teil widmet sich dem Sonnensystem als der besten empirischen Basis der Astrobiologie. Hier behandelt das Buch zunächst astro- und geophysikalische Einflüsse auf das irdische Leben wie die Bahnschwankungen (»Milanković-Zyklen«) und ihren Einfluss auf das Klima, das Erdmagnetfeld und den Sonnenwind. Es folgt ein Kapitel über die Evolutionsgeschichte und Hypothesen zum Ursprung des Lebens auf der Erde. Anschließend diskutieren Wandel und Gale die Sonne, die Architektur des Sonnensystems sowie die Planeten, Kleinplaneten, Monde und Kleinkörper aus einer astrobiologischen Perspektive.
Von der Exoplanetenforschung bis zur Weltraumethik
Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Grundlagen und dem potenziellen Nachweis extraterrestrischen Lebens. Hier diskutieren die Autoren beispielsweise das Konzept der bewohnbaren Zonen in Planetensystemen sowie die Struktur und Entwicklung planetarer Atmosphären mit Blick auf die Randbedingungen für die Entstehung und den Erhalt biologischen Lebens. Ebenfalls behandelt werden hypothetische exotische Lebensformen, die auch unter extremen, von der heutigen Erdoberfläche stark abweichenden Bedingungen gedeihen könnten. Dieser Teil geht auch auf die moderne Exoplanetenforschung und die Perspektiven für den Nachweis von Biosignaturen in anderen Planetensystemen ein. Wandel und Gale begeben sich zudem auf die Suche nach aktuellen oder fossilen Biosignaturen auf Planeten und Monden unseres eigenen Sonnensystems und stellen schließlich Bezüge von der Astrobiologie zur Kosmologie her.
Der vierte Teil beschäftigt sich mit drei etwas disparaten Themen: erstens der Suche nach intelligenten außerirdischen Lebensformen, zweitens mit Fragen der Weltraumethik (von der Gefahr biologischer Kontamination in der Weltraumforschung bis hin zur Kostenproblematik der Raumfahrt) und drittens mit zukünftigen, teils spekulativen Möglichkeiten der Raumfahrt.
Insgesamt erweist sich das Buch als solider Begleittext zu einem Astrobiologiekurs für ein Publikum ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund oder für Studierende der Naturwissenschaften in den Anfangssemestern. Auch in der Lehrerfortbildung mag es zu gebrauchen sein. Positiv hervorzuheben sind dabei der gute systematische Aufbau, die breite Abdeckung des Standardstoffs und die sehr überschaubaren mathematischen Anforderungen. Für ein fortgeschritteneres naturwissenschaftliches Publikum fehlt es dem Text aber an Tiefe. Selbst als Buch für ein studium generale hätte man sich hie und da in den Literaturhinweisen etwas mehr didaktische Systematik und weniger Eklektizismus – und auch weniger Verweise auf Wikipedia erwartet.
Störend fallen häufige Mängel und Fehler im Satz auf. Das betrifft leider bisweilen auch Fachbegriffe, so dass etwa der »Koronograph« (englisch »coronagraph«) als Instrument zum Ausblenden von Sternenlicht zum »Chronographen« (»chronograph«) wird. Auch einige Ungenauigkeiten leistet sich das Buch; so heißt es beispielsweise in Kapitel 6 zunächst fälschlich, die direkte Abbildung von Exoplaneten sei nicht möglich, was dann aber in Kapitel 17 korrigiert wird. Speziell historische Ausführungen geraten manchmal etwas schief – das Mittelalter in einem akademischen Text noch als »Dunkles Zeitalter« zu bezeichnen, entspricht nicht unbedingt dem Stand der Wissenschaft.
Doch trotz mancher Schwächen ist »Life in Space« ein brauchbarer Einführungstext in die Astrobiologie für die fakultätsübergreifende Lehre. Zum Klassiker reicht es aber eher nicht.
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